Freitag, 1. Februar 2008

Systeme und Konzepte


Wo auch immer wir hinschauen, überall sind wir von Systemen und Konzepten umgeben, welche unsere Lebensführung beeinflussen. Viele sind offensichtlich: Im Verlauf eines Lebens besuchen wir die Schule, müssen – falls wir männlich sind – ins Militär, müssen Arbeiten, um eine ganze Reihe von Ausgaben zu bestreiten wie Krankenkasse, Steuern oder die Wohnungsmiete. Wir fahren auf der rechten Strassenseite, halten bei rot, kleiden uns den Normen entsprechend und so weiter. Vielleicht protestieren wir auch gegen all dies und befinden uns dann oft prompt in einer Organisation wieder, die eben genau diesen Protest in seinen Statuten hat – wir sind also erneut in einem System. Vielleicht entschliessen wir uns, uns persönlich zu entwickeln, entdecken die Esoterik und – siehe da - sind schon wieder von Systemen und Konzepten umgeben. Diese erklären etwa, was genau gemacht werden muss, damit die Energien fliessen und wir glücklich und gesund werden.  Und wer – Hand aufs Herz – hat nicht zusätzlich seine eigenen Systeme und Konzepte?  Wir fühlen uns nur wohl, wenn wir den Haushalt und die tägliche Routine auf eine bestimmte Art durchführen.  Wir haben meist sogar unsere eigenen Konzepte zur Ferien- oder Freizeitgestaltung.  Die Liste könnte ich lange fortsetzen.

Und der Schamane? Der Schamane ist ein Mensch, der konsequent sein eigener Weg geht und dazu immer mit seinem eigenen Herzen entscheidet. Widersprechen System und Konzepte nicht dem eigenen Weg? Wie geht er damit um? Hier mein Vorschlag:

1) Wir akzeptieren, dass Systeme und Konzepte existieren, genauso wie wir immer die Umgebung genau so akzeptieren, wie sie eben ist. Denn nur wer seine Umgebung akzeptiert, kann sich darin auch bewegen.

2) In dieser von Systemen und Konzepten durchdrungenen Umgebung beobachten wir nüchtern, welche Möglichkeiten uns offen stehen, inklusive der Teilnahme an bestimmten Systemen oder auch die Absage daran.

3) Dann entscheiden wir mit dem Herzen, was wir tun wollen und setzen diesen Entscheid um.

Die Freiheit des Schamanen kommt also nicht von einer grundsätzlichen Absage an Systeme und Konzepte aber genau so wenig an eine blinde Übernahme. Sondern es ist eine bewusste Entscheidung gegenüber dem, was in jedem Moment beobachtet wird. Eine Entscheidung, die immer neu gefällt wird.

Es geht aber noch einen Schritt weiter:  Alles, was der Schamane im Aussen beobachtet, findet er auch in sich selbst. Das heisst, wenn er sich über Systeme und Konzepte aufregt, dann hat er dieses Thema auch in sich selbst. Zum Beispiel macht er bei Systemen – eigenen oder fremden – mit, ohne sich dessen bewusst zu sein. In diesem Fall wäre die Ärgernis über Systeme eine Aufforderung sich selbst diesbezüglich zu erforschen.

Aber halt! Sind nicht viele Systeme von Aussen gegeben, und wir sind wir nicht einfach ein Opfer davon? Zahlen wir nicht Steuern für Dinge zu denen wir nicht stehen können? Müssen wir nicht viel administrativen Aufwand treiben, den wir nicht einsehen? Sogar hier gilt das gleiche: Beobachten wir das Thema im Aussen, so haben wir es auch in uns. Nerven wir uns etwa wegen einer administrativen Hürde, etwas, welches unser Leben nach unserer Ansicht ungerechtfertigterweise komplizierter macht, so entdecken wir vielleicht ein eigenes mangelndes Vertrauen, dass wir wirklich unseren Weg gehen können. Dies hat wiederum oft mit alten Situationen zu tun, die noch in uns nachwirken und die geheilt werden müssen. Dies geschieht indem wir die damaligen Gefühle nochmals durchleben.

Ein Beispiel macht dies klarer: Ein Kollege regte sich über die vielen Formulare auf, die er an seiner Arbeitsstelle ausfüllen musste. Diese würden ihn von seiner eigentlichen Arbeit ablenken, fand er. Er müsse Aufwand treiben, damit andere befriedigt seien, er müsse einem System folgen, ohne dass produktiv etwas dabei entstand. Mit einer schamanischen Reise entdeckte er, dass sein Ärgernis darüber von früher stammte, als seine Eltern ihm eigene Konzepte auferlegten, gegen die er nicht zu protestieren im Stande war. Seinen eigenen Interessen konnte er dabei nicht folgen. Das Zulassen - im Nachhinein - der damaligen Wut heilte die Wunde nach und nach. Das Resultat: Auch heute muss der Kollege noch Formulare ausfüllen – doch es macht ihm nichts mehr aus.

Letzteres lässt sich verallgemeinern. Wir haben das Thema dann gelöst, wenn es bei uns keine Gefühle mehr auslöst.

Dies alles gilt notabene auch für mich – ich würde keinen Artikel darüber schreiben, falls ich das Thema nicht in mir selbst hätte!