Wo auch immer wir
hinschauen, überall sind wir von Systemen und Konzepten umgeben, welche unsere
Lebensführung beeinflussen. Viele sind offensichtlich: Im Verlauf eines Lebens
besuchen wir die Schule, müssen – falls wir männlich sind – ins Militär, müssen
Arbeiten, um eine ganze Reihe von Ausgaben zu bestreiten wie Krankenkasse, Steuern
oder die Wohnungsmiete. Wir fahren auf der rechten Strassenseite, halten bei
rot, kleiden uns den Normen entsprechend und so weiter. Vielleicht protestieren
wir auch gegen all dies und befinden uns dann oft prompt in einer Organisation
wieder, die eben genau diesen Protest in seinen Statuten hat – wir sind also
erneut in einem System. Vielleicht entschliessen wir uns, uns persönlich zu
entwickeln, entdecken die Esoterik und – siehe da - sind schon wieder von
Systemen und Konzepten umgeben. Diese erklären etwa, was genau gemacht werden
muss, damit die Energien fliessen und wir glücklich und gesund werden. Und wer – Hand aufs Herz – hat nicht zusätzlich
seine eigenen Systeme und Konzepte? Wir
fühlen uns nur wohl, wenn wir den Haushalt und die tägliche Routine auf eine
bestimmte Art durchführen. Wir haben
meist sogar unsere eigenen Konzepte zur Ferien- oder Freizeitgestaltung. Die Liste könnte ich lange fortsetzen.
Und der
Schamane? Der Schamane ist ein Mensch, der konsequent sein eigener Weg geht und
dazu immer mit seinem eigenen Herzen entscheidet. Widersprechen System und Konzepte
nicht dem eigenen Weg? Wie geht er damit um? Hier mein Vorschlag:
1) Wir
akzeptieren, dass Systeme und Konzepte existieren, genauso wie wir immer die
Umgebung genau so akzeptieren, wie sie eben ist. Denn nur wer seine Umgebung
akzeptiert, kann sich darin auch bewegen.
2) In dieser
von Systemen und Konzepten durchdrungenen Umgebung beobachten wir nüchtern,
welche Möglichkeiten uns offen stehen, inklusive der Teilnahme an bestimmten Systemen
oder auch die Absage daran.
3) Dann
entscheiden wir mit dem Herzen, was wir tun wollen und setzen diesen Entscheid
um.
Die Freiheit
des Schamanen kommt also nicht von einer grundsätzlichen Absage an Systeme und
Konzepte aber genau so wenig an eine blinde Übernahme. Sondern es ist eine bewusste
Entscheidung gegenüber dem, was in jedem Moment beobachtet wird. Eine Entscheidung,
die immer neu gefällt wird.
Es geht aber
noch einen Schritt weiter: Alles, was
der Schamane im Aussen beobachtet, findet er auch in sich selbst. Das heisst,
wenn er sich über Systeme und Konzepte aufregt, dann hat er dieses Thema auch
in sich selbst. Zum Beispiel macht er bei Systemen – eigenen oder fremden –
mit, ohne sich dessen bewusst zu sein. In diesem Fall wäre die Ärgernis über
Systeme eine Aufforderung sich selbst diesbezüglich zu erforschen.
Aber halt!
Sind nicht viele Systeme von Aussen gegeben, und wir sind wir nicht einfach ein
Opfer davon? Zahlen wir nicht Steuern für Dinge zu denen wir nicht stehen
können? Müssen wir nicht viel administrativen Aufwand treiben, den wir nicht einsehen?
Sogar hier gilt das gleiche: Beobachten wir das Thema im Aussen, so haben wir
es auch in uns. Nerven wir uns etwa wegen einer administrativen Hürde, etwas,
welches unser Leben nach unserer Ansicht ungerechtfertigterweise komplizierter
macht, so entdecken wir vielleicht ein eigenes mangelndes Vertrauen, dass wir
wirklich unseren Weg gehen können. Dies hat wiederum oft mit alten Situationen
zu tun, die noch in uns nachwirken und die geheilt werden müssen. Dies
geschieht indem wir die damaligen Gefühle nochmals durchleben.
Ein Beispiel
macht dies klarer: Ein Kollege regte sich über die vielen Formulare auf, die er
an seiner Arbeitsstelle ausfüllen musste. Diese würden ihn von seiner eigentlichen
Arbeit ablenken, fand er. Er müsse Aufwand treiben, damit andere befriedigt
seien, er müsse einem System folgen, ohne dass produktiv etwas dabei entstand.
Mit einer schamanischen Reise entdeckte er, dass sein Ärgernis darüber von früher
stammte, als seine Eltern ihm eigene Konzepte auferlegten, gegen die er nicht zu
protestieren im Stande war. Seinen eigenen Interessen konnte er dabei nicht
folgen. Das Zulassen - im Nachhinein - der damaligen Wut heilte die Wunde nach
und nach. Das Resultat: Auch heute muss der Kollege noch Formulare ausfüllen –
doch es macht ihm nichts mehr aus.
Letzteres
lässt sich verallgemeinern. Wir haben das Thema dann gelöst, wenn es bei uns
keine Gefühle mehr auslöst.
Dies alles
gilt notabene auch für mich – ich würde keinen Artikel darüber schreiben, falls
ich das Thema nicht in mir selbst hätte!