Sonntag, 10. Dezember 2017

Den Zyklus der Angst verlassen


Es gibt Situationen, in denen wir in einem Zyklus von Angst stecken bleiben, welcher die unmittelbar zu lösende oder anzugehende Tätigkeit erschwert. Wir beobachten dann, dass unsere Angst alle Aktivitäten behindert, was in der Folge zu noch mehr Angst führt. Gleichzeitig schränkt die Angst auch unsere Möglichkeiten ein, zur Ruhe zu kommen. Beides zusammen mündet oft in einen Teufelskreis.

Ein Beispiel ist Einschlafen: Wir wissen, dass wir genügend Schlaf benötigen, weil wir am nächsten Tag eine bestimmte Leistung erbringen müssen oder einfach weil Schlaf zu einer gesunden Lebensführung gehört. Beim Einschlafen taucht dann etwa plötzlich ein Keim der Angst auf, dass das Einschlafen heute wohl nicht gelingen wird und wir den nötigen Schlaf verpassen. Wegen dieser Angst wird selbstverständlich das Einschlafen erschwert, wodurch wir noch weniger gut einschlafen können. Wir bekommen so gewissermassen Angst vor der Angst. So drehen wir uns in einem Angstzyklus, welcher immer stärker wird und dabei auch unsere Entspannungstechniken, welche aus dem Zyklus führen sollten, behindert. Ein anderes Beispiel ist die Heilung von Krankheiten, welche Ruhe und Geduld erfordern. Wenn wir aber Angst bekommen, es könne sich um etwas weit Schlimmeres handeln, geht genau die nötige Ruhe verloren und womöglich wird die Krankheit just dadurch noch schlimmer. Wir merken dies und geraten wieder in einen Teufelskreis der Angst. Solche Zyklen sind häufig und lassen sich in fast allen Lebensbereichen identifizieren. Was machen? Wie können wir mit solchen Zyklen umgehen?

Vorweg: Angst ist an sich nicht ein Problem, sondern hat eine wichtige Funktion. Auf eigenen Wegen hilft sie uns Energie für die nötige Aufmerksamkeit für den nächsten neuen und unbekannten Schritt zu geben. Sie hilft uns auf diese Art und Weise, etwas Unbekanntes umzusetzen. Dies ist sehr wertvoll. Im Angstzyklus ist die Angst aber entgleitet, sie dreht gewissermassen im Leeren. Vergleichen wir dies mit einem Auto: Die gesunde Angst ist vergleichbar mit Rädern welche genügend Reibung zur Strasse haben und das Auto deshalb vorwärts kommt. Im Angstzyklus ist jedoch zu wenig Reibung vorhanden, das Rad dreht sich im Leeren und das Auto kommt bleibt stecken. Letzteres ist der Angstzyklus, den wir hier genauer untersuchen wollen.

Solche Zyklen sind natürlich nichts Neues und plagen die Menschheit wohl seit es sie gibt. Entsprechend gibt es auch zahlreiche Techniken im Umgang damit. Dazu gehören Atemtechniken, progressive Entspannung, Meditation, Visualisierung, Hypnose, autogenes Training, Techniken im Umgang mit irrationalen Sorgen, bessere Ernährung, mehr Bewegung und vieles mehr. Was könnte hier der Schamane noch beitragen? Nach meiner Beobachtung sind die meisten dieser Techniken jedoch vor allem in der Prävention nützlich, sie sind also eher eine langfristige Angelegenheit. Mitten im Angstzyklus drinnen sind sie schwer anzuwenden. Ich möchte hier deshalb einen Ansatz vorstellen, welche den kurzfristigen Umgang mit Angstzyklen behandelt. Wie gehen wir also vor, wenn wir mitten im Zyklus drinnen sind? Gleichzeitig möchte ich zeigen, dass dieser Ansatz oft gleichzeitig einen Entwicklungsschritt auf unserem Weg einleiten kann.

Hier eine schamanische Reise zu diesem Thema: „Meine spirituelle Helferin führt mich in einen rasch drehenden Zylinder aus Metall. Am Innenrand dieses Zylinders hat es einzelne gefährliche Ausstülpungen. Es ist offensichtlich, dass wenn ich sie berühren würde, dass sie meinen Körper durchschneiden würden. Es scheint unmöglich, den Zylinder zu verlassen, geschweige denn ihn zu berühren. Ich versuche abzusitzen, mit der Idee, mich so zu entspannen. Dies geht aber nicht, denn im Sitzen würde ich zu viel Platz benötigen und dabei den gefährlichen Rand des Zylinders berühren. Während ich in diesem Zylinder stehe, kommt der Rand immer näher und zudem dreht er schneller und schneller. Es ist eine ausweglose Situation. Früher oder später würde ich vom Zylinder zerdrückt oder von den Ausstülpungen zerschnitten. Ich frage meine Helferin: „Was soll ich tun?“ Sie zeigt, wie ich durch den Rand des Zylinders hindurchschreite. Die scharfen Ausstülpungen zerschneiden meine Kleidung und reissen meine Haut auf. Eine Schicht Kleidung und eine alte Haut liegen mir zu Boden, aber ich überlebe und bin nun ausserhalb des Zylinders. Ich schaue mich selbst an und sehe, dass ich eine neue Haut trage. Ich fühle mich verändert. Vor mir eröffnet sich ein Weg und ich nehme ihn.“

Nach meiner Interpretation führt der Weg aus dem Zyklus durch ihn hindurch. Stellt man sich dem Zyklus, lässt man ihn wirken und duckt sich nicht davor, dann kann er uns gleichzeitig transformieren. Wir können dann loslassen und erneuert unseren Weg gehen. So gesehen kann der Angstzyklus sogar ein Geschenk sein. In den meisten Fällen ist die zurückgelassene Kleidung und Haut eine Fülle von Glaubensätzen, absoluten Aussagen und Ähnlichem. Das Zulassen des Zyklus lässt uns diese abstreifen, so dass wir uns auf den nächsten Schritten unseres Weges nicht von ihnen behindert werden.

Aber was heisst dies in der Praxis? Folgende Schritte leite ich aus der schamanischen Reise ab: 1) Ich anerkenne, dass ich in einem Angstzyklus drinnen bin und dieser eine Transformation ermöglichen kann. Ich bekomme also eine positive Einstellung gegenüber dem Zyklus. 2) Ich lasse den Zyklus zu, insbesondere lasse ich die Angst in ihrer vollen Wucht zu. 3) Ich beobachte, wie die Angst allerlei Glaubensätze, Interpretationen, Sorgen und so weiter durchschneidet. 4) Ich nehme mich als neuen Menschen wahr und gehe weiter auf meinem Weg.

Spielen wir dies noch anhand des Beispiels von Einschlafstörungen durch: 1) Ich anerkenne, dass ich wegen einem Angstzyklus nicht einschlafen kann, dass dieser aber einen transformierenden Schritt auslösen kann. 2) Ich wehre mich nicht mehr gegen die Angst, sondern ich lasse sie in ihrer vollen Wucht zu – dies obwohl dabei natürlich meine Logik sagen wird, dass ich so nie und nimmer wird einschlafen können. 3) Ich lasse zu, wie die Angst Glaubensätze und Sorgen durchschneidet. Glaubenssätze könnten sein: „Ein Mensch braucht acht Stunden Schlaf.“ „Ich kann keine Leistung erbringen, wenn ich nicht genügend Schlaf habe.“ „Lärm, Strahlung, der Nachbar usw. sind schuld daran, dass ich nicht schlafe.“ 4) Als neuer Mensch gehe ich weiter. Es kommt nun nicht mehr darauf an, ob ich acht Stunden schlafe oder nicht, sondern es stellt sich auf meinem Weg natürlich ein, wieviel ich jeweils schlafe. Oder die Menge die ich leiste ist eine Folge meines Weges und nicht eine absolute Grösse, die eine bestimmte Menge Schlaf bedingt. Oder die Störungen der Umgebung haben Mitteilungen an mich und gehören zu meinem Weg.

Nochmals: Dies heisst nicht, dass wir die präventiven Übungen nicht machen sollten, sondern nur, was wir tun könnten, um aus dem Wirbel zu gelangen wenn wir uns direkt in ihm selbst befinden. Vielleicht hierzu noch der Vergleich zum Schwimmen im Meer bei sehr hohen Wellen. In der Regel kommt man gut durch, wenn man die an der richtigen Stelle durch die Wellen taucht. Gelangt man aber direkt in die Brandung, dann bleibt nichts anders übrig, als sie zuzulassen und das Durchschütteln auszuhalten.

Hier noch ein paar Nachrichten in eigener Sache:

Leider wird die Veröffentlichung meines neusten Buches: „Das schamanische Buch der Liebe“ nochmals verzögert. Der Verlag möchte die Reihe neu gestalten. Diese Arbeiten sind offenbar noch nicht zufriedenstellend abgeschlossen, so dass die Veröffentlichung auf den August 2018 verschoben wird.

Die nächsten Kurse im neuen Jahr sind:

·   Obi Haus: Mit Schamanismus ein Thema angehen. Samstag, 24. Februar, 2018: http://www.obihaus.ch/

·   Oberwiler Kurse: Magische Begegnungen: Schamanismus in zwischenmenschlichen Beziehungen. Samstag, 17. März, 2018. https://www.oberwilerkurse.ch/kurse/magische-begegnungen-17-3-18/