Sonntag, 13. Januar 2019

Schamanische Mathematik


Mathematik sei für Techniker nützlich, etwa um die Statik von Brücken zu berechnen, Fahrpläne zu konstruieren oder um die Lieferung von Nahrungsmitteln an einen Supermarkt zu optimieren. Mathematik sei sachlich, von dieser alltäglichen Welt und deshalb nicht geeignet, um spirituelle Themen oder um Schamanismus zu beschreiben. Schamanismus sei etwas Anderes, beinhalte eine besondere Verbindung zum Leben, zur Natur, sei von einer anderen Ebene, wo Bewusstsein, Bewusstseinsänderungen, Gefühle und Liebe vorherrschen, welche sich allesamt nicht mit Mathematik erfassen lassen. So argumentieren viele, welche keine Verbindung zwischen den beiden sehen wollen.
Ich sehe dies anders: Nicht nur sind Mathematik und Schamanismus miteinander verbunden, es könnte sogar so sein, dass Schamanismus ein Aspekt der Mathematik ist, ein Teilgebiet sozusagen. Dies wird von neueren Ideen (so z.B. von Max Tegmark) unterstützt, wonach die ganze Struktur des Universums Mathematik ist. Danach ist alles Mathematik (die Physik, die Chemie, die Biologie, der Mensch, unsere Sprache, unsere Gefühle usw.) und folglich wäre auch Schamanismus Mathematik. Es gibt also ein mathematischer Schamanismus oder besser eine schamanische Mathematik.
Ist dies so? Falls ja, würde dies heissen, dass man die Konzepte des Schamanismus auch in der Mathematik findet. Hier möchte ich zeigen, dass dem nicht nur so ist, sondern, dass man zu weitergehenden Erkenntnissen gelangt, wenn man dies anerkennt. Hier also eine Auswahl von Grundsätzen des Schamanismus, die auch in der Mathematik zu finden sind und die ergänzenden Erkenntnisse die wir mit diesem Ansatz erfahren:

Schamanen gehen einen eigenen Weg zur Liebe:
Mathematische Sichtweise:
Der eigene Weg ist ein Fluss, angezogen von der Liebe. Dies entspricht dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, wonach Prozesse mit der Zeit zu mehr Entropie beziehungsweise Zufälligkeit gelangen – so wird beispielsweise die freie potentielle Energie eines Flusses nach und nach in Wärme umgewandelt. Wir sind also desto mehr Liebe, desto grösser unsere Entropie ist. Dabei ist in thermodynamischen Prozessen zu Beginn nicht klar, welcher Zustand am Ende genau bestehen wird. Dies deshalb, weil es immer viele Zustände gibt, welche der Forderung nach einer Erhöhung der Entropie genügen.
Weitergehende Erkenntnisse für den Schamanen:
Oft stellen wir uns unter einem eigenen Weg etwas Einmaliges vor, einen einzigen konkreten Weg und nicht viele unterschiedliche. Beschreibt man aber eigene Wege im Sinne des zweiten Hauptsatzes, dann bestehen zahlreiche gleichwertige Zustände, die einer Erhöhung der Liebe entsprechen. Der Weg ist in diesem Sinne also nicht vorgegeben – nur die Richtung. Beschreiben wir Wege zur Liebe mit dem zweiten Hauptsatz, so heisst dies zudem, dass sich unser Unwissen über unseren Standort erhöht, desto mehr Liebe wir sind. Dies – so beobachte ich – ist in der Tat so: Wir beziehen etwa viel weniger Position zu den Themen des Alltages und werden damit mehr und mehr zum Beobachter.
 
Aber halt: Hier müssen wir etwas mehr in die Tiefe: Ist eine Zunahme der Liebe wirklich eine Zunahme der Entropie? In meinem Buch „Das schamanische Buch der Liebe“ habe ich Liebe als die Energie der Verbundenheit definiert. Auch habe ich gesagt, dass sich die Liebe in mehr Dimensionen ausbreitet, als etwa die Seele oder der Körper. Stimmen diese beiden Aspekte mit der Entropiebetrachtung überein? Zur Energie der Verbundenheit: Entropie ist ein Mass dafür, wie unbekannt der Standort einzelner Teilchen in einem System ist, also je weniger „rigid“ das System ist. In einem System mit hoher Entropie bewegen sich die Teilchen freier, weshalb einfacher Verbindungen möglich sind. Soweit erfüllt. Zur Bewegung in mehr Dimensionen: Ein Zustand mit hoher Entropie (z.B. ein Gas) kann sich durchaus in mehr Richtungen ausdehnen, als einer mit tiefer Entropie (z.B. ein Festkörper). Auch dies ist erfüllt. Und vielleicht noch folgendes dazu: Eine Zunahme der Entropie oder der Liebe schliesst nicht die Entstehung von komplexen Gebilden (etwa ein Mensch) aus, just deshalb, weil solche Gebilde sehr effizient sind beim Erhöhen der Entropie. In diesem Sinne kann die Mathematik voraussagen, dass es komplexe Gebilde wie Menschen, Tiere, Pflanzen, Planeten geben wird, welche die Liebe fördern, weil sie dies viel besser können, als weniger komplexe. Aber nun zurück zu weiteren schamanischen Grundsätzen…
 
Der Schamane entscheidet mit dem Herzen:
Mathematische Sichtweise:
Der Herzentscheid ist nichts anderes als eine Entscheidungsfunktion, so wie sie in der Statistik verwendet wird. Hierzu benötigen wir in der Regel ein Modell, ein Entscheidungsraum und eine Verlustfunktion. Das Modell beschreibt unser Alltag, in dem wir uns befinden. Der Entscheidungsraum sind die Optionen, die uns zur Verfügung stehen. Entscheiden wir im Sinne der Liebe, entscheiden wir also so, dass wir insgesamt die Entropie erhöhen. Die Verlustfunktion berücksichtigt schliesslich den Schaden, welcher entsteht, wenn wir eine Fehlentscheidung fällen.
Weitergehende Erkenntnis für den Schamanen:
Oft berücksichtigen Schamanen zu wenig, dass sie Fehler beim Herzentscheid machen können. Die Statistik ist hier ein Schritt weiter und anerkennt diese Möglichkeit mit der Verlustfunktion. Der Schamane ist deshalb aufgerufen, dies ebenfalls zu tun, und bei Entscheidungen die Konsequenzen eines Fehlers zu berücksichtigen. Der Fehler kann übrigens nicht nur beim Entscheid selbst entstehen, sondern auch im Entscheidungsraum (es werden nicht alle Möglichkeiten berücksichtigt) oder im Modell (wir nehmen unseren Alltag zu wenig gut war).
 
Schamanen können ihre Wahrnehmung ändern, um Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten:
Mathematische Sichtweise:
Unser Alltag ist eine Projektion aus einem mehrdimensionalen Raum. Wenn wir eine schamanische Reise unternehmen, dann ändern wir die Projektionsrichtung und sehen so die Dinge aus einer anderen Perspektive. Eine andere mögliche Analogie zur schamanischen Reise wären etwa komplexe Zahlen, bei denen der Zahlenstrahl gewissermassen mit einer weitergehenden Richtung ergänzt wird, womit sich Gleichungen lösen lassen, welche mit dem herkömmlichen Zahlenstrahl nicht möglich sind.
Weitergehende Erkenntnis für den Schamanen:
Jede schamanische Reise ist nichts Weiteres als eine mögliche zusätzliche Perspektive von vielen. Einige dieser Sichtweisen können zwar im normalen Alltag gewonnen werden, sie sind aber trotzdem nicht die absolute Wahrheit. Unter Umständen können weitere schamanische Reisen ganz andere Blickwinkel aufdecken. Am Ende ist es die Aufgabe des Schamamen, diese unterschiedlichen Perspektiven zu vereinen.
 
Die Gefühle zeigen dem Schamanen, wo er sich befindet und ob er in Bewegung ist:
Mathematische Sichtweise:
Bewegung und Standort können als Funktionen beschrieben werden. Bewegung zum Beispiel mit einer Zeitfunktion F(t) und der Standort mit F(x) in einem Koordinatensystem. Gefühle sind also Funktionen.
Weitergehende Erkenntnisse für den Schamanen:
Die riesige Vielfalt von Funktionen ermöglicht eine präzise Beschreibung und ein umfassendes Verständnis von Gefühlen, welche mit Worten nie möglich ist. Mit Funktionen ist es auch einfacher, eine Prognose zu erstellen, wie sich ein Gefühl entwickeln wird. Beispiel: Wir haben oft den Eindruck, dass sich Dinge linear verändern, das heisst, dass ein Gefühl wie Trauer nach einem Verlust pro Zeiteinheit gleich viel abnimmt. Vermutlich ist die Veränderung eines Gefühls aber eine exponentielle Funktion, etwa von der Form 1/x2, das heisst, das Gefühl nimmt zu Beginn schnell ab, dann immer langsamer, und wird nie Null.
 
Heilung wird erlangt, indem wir die Gefühle zulassen:
Mathematische Sichtweise:
Eine Wunde entsteht, indem in unserer Funktion ein fremder Faktor hinzugefügt wird. Wir können ihn heilen, indem wir ihn im Nachhinein wieder entfernen, oder indem wir das Gefühl zulassen, welches damals hätte entstehen sollen. Beispiel: Unsere normale Lebensfunktion sei F(t) = pt, wobei p ein persönlicher Faktor ist und t die Zeit. Die Wunde wt (die Wunde ist dabei auch eine Funktion) verändert p, zum Beispiel mit F(t) = (p-wt)t. Wir hätten damals sofort mit einer Korrekturfunktion reagieren sollen: F(t)=wtt, wir müssen also gewissermassen mit dem Gegenteil reagieren. Machen wir dies nicht, dann bleibt das w in der Funktion erhalten, auch zum Zeitpunkt t+1: F(t+1)=(p-wt+1)(t+1). Die Heilung bedingt dann, dass wir etwa die Funktion F(t+1)=wt+1(t+1) hinzuzählen. Wir müssen also das Gefühl von damals zulassen, so wie es sich heute ausgestaltet. Wenn die Funktion w(t) sich beispielsweise asymptotisch gegen Null bewegt, also die Form 1/x  aufweist, dann ist das Problem heute vielleicht kaum mehr eines, wenn sie hingegen wächst, z.B. mit der Form x2 , dann kann es sogar sein, dass die Heilung heute intensivere Gefühle erfordert als zum Zeitpunkt der Entstehung.
Weitergehende Erkenntnis für den Schamanen:
Die Heilung bedingt also nicht, dass wir das Gefühl von damals zulassen, sondern das Gefühl, so wie es sich heute manifestiert (wt+1). Zweite Erkenntnis: Die Korrektur ist unabhängig von p, dem persönlichen Faktor. Man muss also mit der Störung umgehen, nicht mit dem Weg. (Dies gilt nur für diesen einfachen Fall – je nach Funktion kann es durchaus auch eine Rückkoppelung mit dem Weg geben.)
 
Symptombekämpfung ist problematisch:
Mathematische Sichtweise:
Wenn wir statt mit Heilung, Symptombekämpfung praktizieren, dann verändern wir die Funktion, indem wir zum Beispiel ein Element zur Funktion addieren: F(t+1)=(p-wt+1)(t+1) + S, wobei S den momentanen Betrag von wt+1(t+1) annimmt. Dabei wird die ursprüngliche Funktion nicht verändert. Entsprechend muss das S immer neu angepasst werden. Es entsteht keine dauerhafte Heilung, auch wenn im Moment das Resultat gleich aussieht. Das S ist also ein Zusatz von aussen, welcher stetig angepasst werden muss, demnach Energie oder Aufwand erfordert.
Weitergehende Erkenntnis für den Schamanen:
Symptombekämpfungsmassnahmen müssen ständig angepasst werden und benötigen Energie von aussen. Sinnvoller und energiesparender wäre es, zu heilen statt die Symptome zu bekämpfen.

Das Ganze könnte man natürlich auch umgekehrt angehen und schauen, welche mathematischen Konzepte im Schamanismus Anwendung finden. Hier zwei Beispiele:

 
Chaos Theorie:
Mathematische Beschreibung: Die Chaostheorie beschreibt nichtlineare dynamische Systeme. Typisch für solche Systeme ist, dass sie nur über einen bestimmten Zeitraum näherungsweise vorhersagbar sind und selbst geringste Abweichungen der Anfangsbedingungen verändern das gesamte Verhalten nach einer bestimmten Zeit.
Anwendung im Schamanismus: Schon oben habe ich beschrieben, dass zum Beispiel Gefühle nichtlinear und dynamisch sind (keine gleichmässige Veränderung). Weil sie nicht mit einer einfachen Funktion beschreibbar sind, können sie nur über einen kleinen Zeitraum vorgesagt werden und hängen stark von den Anfangsbedingungen ab. Es macht zum Beispiel einen grossen Unterschied, ob die Abnahme der Trauer nach 1/x2 verläuft, oder ob noch eine alte Wunde vorhanden ist und die Abnahme beispielsweise so aussieht: 1/(x2 - w2).
 
Fraktale:
Mathematische Beschreibung: Fraktale sind geometrische Objekte, welche eine Skaleninvarianz aufweisen, d.h. dass bei jeder Vergrösserungsstufe die gleichen Einzelheiten erkennbar sind. Damit können unregelmässige Objekte in der Natur modelliert und beschrieben werden. Fraktale entstehen beispielsweise durch Iteration von Eigengleichheit. Wenn man Fraktale plottet, dann ist das entstehende Bild oft chaotisch, bis dann erst nach vielen Iterationen ein klareres Bild entsteht.
Anwendung im Schamanismus: Wir leben unser Leben meist auch iterativ, will heissen, weil wir nach unseren Glaubenssätzen handeln, erleben wir stetig Dinge, welche just diese bestätigen. Wollen wir ausbrechen, dann müssen wir die Gleichung ändern. Fraktale Gleichungen beschreiben also Liebesbarrieren, die wir auflösen müssen. Und wieso ist es so schwierig, Glaubenssätze aufzulösen? Sie sind so schön!

 


Beispiel eines Fraktals als Symbol für Liebesbarrieren: Wegen ihrer Schönheit sind sie schwierig aufzulösen.
upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/37/Mandel_zoom_14_satellite_julia_island.jpg


Schamanische Mathematik und mathematische Schamanismus? Ja, das gibt es! Und nicht nur das: Aus meiner Sicht sind mit diesem Ansatz sogar sehr tiefgreifende Erkenntnisse möglich und dies vermutlich nicht nur im Schamanismus sondern auch in der Mathematik, denn vielleicht lassen sich auch ungelöste mathematische Fragestellungen mit herkömmlichen schamanischen Ansätzen erschliessen. Es ist an der Zeit, diese Gebiete nicht mehr separat und als Gegensätze anzuschauen, sondern zu anerkennen, dass sie im Kern das Gleiche sind und die Sichtweisen sich deshalb ergänzen können.

 

 

 

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