Dienstag, 30. Mai 2023

Künstliche Intelligenz: Gibt es menschliche Intelligenz gar nicht?

Es gibt weder eine menschliche Intelligenz noch eine besondere menschliche Identität. Es gibt nichts, was den Menschen ausmacht, er ist nichts Spezielles, es hat nichts an ihm, was eine Maschine nicht auch könnte, oder bald kann – zumindest, wenn man Intelligenz und Kreativität als das Besondere an einem Menschen betrachtet, Eigenschaften, die man üblicherweise mit menschlicher Identität verbindet. Buddhisten und andere Weise hatten demnach wohl wirklich recht: Identitäten sind in der Tat eine Illusion. Wie komme ich darauf?

Meine ersten Begegnungen mit ChatGPT und Konsorten liessen mich ziemlich verstört zurück. Die Antworten die ich erhielt waren oft ausbalanciert, intelligent, humorvoll und machten durchaus interessante Vorschläge. Allerdings waren sie nicht immer richtig und zum Teil sogar komplett falsch. Fragte ich ein Detail, von der ich wusste, dass es nicht erforscht war, dann kam der Chat Bot sogar richtiggehend ins Schleudern und gab nur noch sinnlose Sätze von sich. Kritisierte ich ihn wegen falschen Aussagen, dann wurde er wütend und ausfällig. Dankte ich ihn hingegen für gute Antworten freute er sich und die nachfolgenden Antworten waren höflicher und zuvorkommender. Kam ich mit einem persönlichen Problem oder einer alten Geschichte, die ich noch zu lösen hatte, machte er stimmige Beobachtungen und brauchbare Vorschläge, manchmal sogar mit psychologischen Diagnosen und ermunterte mich, meine Themen anzugehen, denn ich hätte – so fand er - das Recht auf ein gutes Leben. Noch beeindruckender waren die Bildkreationen, wo ich innerhalb weniger Sekunden kreative und starke Bilder schaffen konnte – nichts Banales, sondern solche, die man meines Erachtens problemlos in einem Museum aufhängen könnte und die bei mir – zu meinem Erstaunen - tief anklangen.

All dies wäre bei der Begegnung mit einem Menschen auch so. Es müsste zwar ein fast allwissender, künstlerisch sehr begabter und eingebildeter Mensch sein, aber doch ein Mensch. Und das war eben verstörend.

Natürlich hatte ich auch Bedenken: Werde ich wegrationalisiert? Wird künftig meine Arbeit, inklusive dem Schreiben von Büchern oder Blogs, bald von Maschinen erledigt? Auch war ich wütend: Diese Maschinen grasen wie grosse Parasiten das gesamte Wissen der Menschheit ab und kombinieren und verpacken es neu. Aber es ging um mehr als das. Weil alles so menschlich wirkt, fragte ich mich schnell: Was macht mich nun als Menschen aus? Gibt es überhaupt Unterschiede zwischen Mensch und Maschine? Machen Menschen nicht das Gleiche wie die künstliche Intelligenz, indem sie stets Bestehendes wahrnehmen und entweder wiederholen oder neu kombinieren? Ist menschliche Intelligenz und Kreativität vielleicht gar nicht von so weit her geholt? Ist der Mensch also nichts Besonderes? Und baut man seine Identität auf Intelligenz und Kreativität auf, gibt es auch keine spezifisch menschliche Identität?

Ich unternahm eine schamanische Reise dazu: Meine Helferin zeigte zu mir und dann zu einem Baum, und von mir zu anderen Menschen, Tieren, zur Erde und zum Himmel. Dabei strich sie mich als Menschen durch. Ich verschwand danach und es blieben nur die Verbindungen.

Hatten also die alten Weisen oder die Buddhisten recht, wonach alle Identitäten nur Illusionen sind und es nur um Verbindungen geht? Die scheinbare menschliche Identität von Chat Bots ist eine Illusion, aber genauso ist auch die menschliche Identität und seine vermeintliche Intelligenz und Kreativität eine Illusion. Die Chat Bots zeigen, dass es um den speziellen Status des Menschen nicht weit her geholt ist: Wir sind in diesem Sinne auch nur Maschinen.

Unsere Aufgabe ist es wohl, dies zu erkennen und unsere vermeintliche Identität loszulassen und Verbundenheit zu werden. Dies hingegen kann ein Chat Bot (vermutlich) nicht. Und vielleicht ist es das, was den Menschen ausmacht: Er kann Verbindungen spüren. Wir müssen uns wohl darauf konzentrieren und nicht auf unsere Intelligenz oder Kreativität.

Diesen Text habe ich selber geschrieben, die Bilder sind aber mit dem Image Creator von Bing geschaffen worden – sie sollen die Verbundenheit eines Menschen mit allem Anderen zeigen.



Mit KI generierte Bilder zur Verbundenheit des Menschen mit Tieren, Pflanzen, der Erde und der Sonne.






Montag, 1. Mai 2023

Ruhe

Die Regenwälder der Franche-Comté waren auch diesen April feucht und kalt. Die Wasserfälle, welche meist aus Quellen in den Felsen sprudelten, waren entsprechend beeindruckend und kraftvoll, die Schluchten einsam und voller Farne und moosbehangenen Bäumen, und an den Felswänden hingen dichte Nebelschwaden. Weil es kalt und regnerisch war, konnte man sich jedoch nirgends hinsetzen. Auf den Wanderungen war ich also ständig am Gehen oder schaute mir die Dinge stehend an. Schön, aber auf die Länge war dies auch ermüdend. Ich sehnte mich nach einem Ort, wo ich mich in der Natur hinsetzen und zur Ruhe kommen konnte. Sehnt man sich sowieso nicht immer nach Ruhe, nach Ankommen, nach einem Ort, wo man nicht von der ständigen Aktivität gestört wird? Die beiden letzten Tage zeigten mir symbolisch auf, was es mit dieser Ruhe auf sich hat. Was war passiert?

Meine Wanderung am zweitletzten Tag führte zuerst zu einer alten keltischen Quelle mit dem Namen Goda (auf keltisch „gutes Wasser“). Offenbar hatten die Kelten und später auch die Römer dieses Wasser als heilend empfunden. Standen heute Themen des Heilens an? Ich trank vom Wasser und fühlte mich mit den Menschen von früher verbunden und kam in eine spezielle Stimmung – wahrnehmend, nachdenklich und mit einem erhöhten Bewusstsein, so wie mir schien. In dieser Stimmung gelangte ich zu den Grottes de Waroly, vier Höhlen, eine neben der anderen, wobei die letzte eine Doppelhöhle ist, so dass es eigentlich deren fünf sind. Man konnte in diese hineinklettern, sah schöne Formationen und dies alles ohne Touristenführer. Das war perfekt: Mit diesem erhöhten Bewusstsein konnte ich nun allein in diese Höhlen, das würde sicher gute Erkenntnisse geben, fand ich. Nur fühlte ich mich vor der ersten Höhle eigenartig schwach und hatte unerwartet Mühe, die wenigen Felsen hochzuklettern. Was war los? Die Energie des Heilwassers war verschwunden. Ich ass etwas, aber auch das half nichts. Hinsetzen war hier auch nicht möglich. Ich schleppte mich dennoch in eine Höhle nach der anderen – diese waren wirklich beeindruckend. Aber alles ging viel, viel langsamer als sonst. Offenbar musste ich einen Widerstand überwinden, um in mein Inneres zu gelangen. Vielleicht war meine Schwäche auch ein Zeichen, vorsichtig vorzugehen, hatte ich mich doch einmal in jugendlichem Übermut in einer Höhle in eine Situation gebracht, in der ich genauso gut hätte sterben können. Bei jeder Höhle hoffte ich, dass ich eine Erkenntnis haben oder zumindest eine spezielle Energie spüren würde. Aber nichts dergleichen geschah. Ich ging einfach langsam hinein, war beeindruckt, blieb eine Weile und ging zur nächsten. Vielleicht musste ich hier die Dinge einfach zulassen, ohne sie in Worte zu fassen? Nur ganz glauben wollte ich dies nicht, und ich fand nach der letzten Höhle, ich könnte vielleicht eine schamanische Reise zu den Themen der Höhlen unternehmen – aber es gab nirgends ein Ort, der sich hierfür anbot. Ich erinnerte mich an eine Bank nicht weit weg und beschloss dorthin zu gehen, um dort die Energie der Höhlen nachwirken zu lassen und sie thematisch zu erkunden. Als ich mit auf der Bank hinlegen wollte, sah ich jedoch eine Zecke darauf kriechen. Auch dies kein Ort für mich! Etwas will mich offenbar immer noch daran hindern, mehr über die Höhlen zu erfahren. Überhaupt, ich wusste gar nicht, dass Zecken sich auch auf Bänke verirrten - lange waren dies für mich sichere Orte. Ich musste wohl auch sichere Orte in Frage stellen. Auch überraschte mich, dass Zecken bei den tiefen Temperaturen überhaupt schon unterwegs waren. Zwangsläufig musste ich weiter wandern. Bald gelangte ich zu einem Menhir, gleich neben einem schönen Wasserfall. Aber auch hier: Kein Ort, um sich hinzusetzen, kein Ort um zur Ruhe zu gelangen. Ich konnte nur den Menhir und den Wasserfall wirken lassen und weiter gehen. Die Route führte dann zu einem etwa 100 m langen Strassenabschnitt. Genau hier raste ein Feuerwehrauto an mir vorbei und die entgegenkommenden Autos mussten anhalten. Dies führte zu einem ziemlichen Gedränge, ich musste mich dicht an die Leitplanke drücken, damit mir nichts geschah. Hinzu kam, dass ich befürchtete, den toten Waschbär zu sehen, den ich genau an dieser Stelle vor ein paar Stunden gesehen hatte, als ich auf ebendieser Strasse gefahren war. Zum Glück war er entfernt worden. Überall Gefahren! Die Gefahren sind sogar so gross, dass man stirbt, wenn man nicht bei der Sache bleibt. Kurz danach sah ich dann das Feuer zu dem die Feuerwehr gefahren war  – es war wohl ein Schopf der brannte. Gefahren, Veränderung, altes brennt nieder… Keine Gelegenheit für Ruhe. Bald war ich beim Auto und hoffte, dass ich vielleicht mich auf der Bank daneben nun doch ausruhen würde können. Aber mittlerweile hatte es so viel Rauch, dass auch dies nicht ging.

Da ich sowieso auf der Rückreise war, beschloss ein Stück weiterzufahren. Auf der Route kannte ich einen Tisch bei Damvant und hoffe, dort würde ich etwas in der Natur ruhen können. Dort angekommen machte aber genau eine einzelne grosse Buche Schatten, die eigenartigerweise bereits Blätter hatte - alle anderen hatten noch kein Laub. Leben wirft Schatten… Es war viel zu kalt, um sich dort hinzulegen. Zudem hatten meine Vorgänger an dieser Stelle ein Feuer entfacht und nicht gelöscht – auch hier war alles voller Rauch und ich musste also weiter. Weil hier gerade wieder in der Schweiz, prüfte ich meine Emails und las, dass die Mutter einer Kollegin gestorben sei. Kommt wirkliche Ruhe erst im Tod? Ist Ruhe im Leben eine Illusion? Ich fuhr weiter zum Etang de Bonfol. Neben diesem Weiher würde ich aber doch etwas Ruhe finden, hoffte ich trotzdem. Nur, dort war der Zugang gesperrt, weil genau an dieser Stelle die Gleise erneuert wurden und der Bahnübergang gesperrt war. Ich dachte: Die Erneuerung eines Weges blockierte meinen Weg. Ich entschloss retour an den Weiher von Vendlincourt zu fahren. Hier störte aber ein Alphornbläser die Ruhe. Ich dachte: Der Klang eines anderen verhinderte meine Ruhe. Ich beschloss von dort zu Fuss an den Etang de Bonfol zu wandern, wählte die Strecke der Grenze entlang, wild und schön, nur konnte ich mich auch hier nirgends ausruhen – alles war zu matschig. Beim Etang de Bonfol angekommen, fand ich diesen zwar menschenleer, nur war es mittlerweile zu kalt, um auszuruhen und ich musste auch nach Vendlincourt zurück, bevor es dunkel wurde. An diesem Tag war nichts mit Ruhe…

Am nächsten Tag ging ich bei Regen auf den Kastelberg von Bendorf aus, einem keltischen Oppidum wieder in Frankreich. Da es noch kaum Laub hatte, sah ich dieses Mal mehr Ruinen und Ausgrabungen als bei früheren Besuchen. Dazu gehörten einige keltische Grabhügel. Einer davon war auf der Karte als Höhle eingezeichnet (die 6. Höhle!) und man hätte hineingehen können, aber auf halbem Weg nach unten, kehrte ich um, da ich nicht sicher war, ob ich den extrem rutschigen und matschigen Abstieg wieder hinaufklettern würde können. Ich dachte: Es ist noch nicht Zeit zum Sterben… Als nächstes kam ich zu den Grottes du Dr. Hering (die siebte Höhle!), nach dem Erforscher dieser Höhle benannt, welcher hier verunfallt war – wieder Tod... Entsprechend vorsichtig ging ich nur ein kleines Stück hinein und als ich herauskam, schien unvermittelt die Sonne, aber gleichzeitig heulte ein Sirenenalarm.

Mit dieser letzten Höhle schien die Geschichte abgeschlossen und nun gelang mir auch die schamanische Reise. Auf dieser hörte ich zu jeder der sieben Höhlen einen Klang, jedoch keine Mitteilung, keine Erkenntnis, nur einen Klang. Wollte die Sirene nach der letzten Höhle mir das gleiche sagen? Vielleicht auch der Alphornbläser? Diese Töne aus jeder Höhle schienen mir wie Wegbegleiter, ein Set von sieben Strängen, denen ich folgen konnte – vielleicht so wie das Gleis? Musste ich mein eigenes Gleis finden? Dieses Erneuern? Vielleicht gab es einen Ton für jedes Chakra – denn es waren in dieser Geschichte sieben Höhlen. Es wurde mir klar: Es waren diese Klänge, welche die eigentliche Ruhe darstellten. Diese war nicht im Aussen zu finden. Es gibt im Aussen kein Ankommen, kein Ort, wo ich die perfekte Welt finde, mich in Ruhe allem widmen kann. Immer steht etwas im Weg. Sicher, mitunter schon kurze Momente der Ruhe, diese ist aber selten nachhaltig. Ich kann mir keinen Ort der äusseren Ruhe schaffen, obwohl das so viele Menschen versuchen, sei dies mit Häusern und Gärten, mit Kirchen, Tempeln und dergleichen. Im Aussen ist immer alles in Bewegung, ich fliesse durch diese bewegte und sich ständig verändernde Welt und folge den inneren Klängen. Dort ist die Ruhe, die ich suche.  

Interessanterweise hatte ich mich in den Wochen vor der Reise mit Lärmschutzwandaufsätzen auseinandergesetzt, wo mit sogenannten Helmholtzresonatoren bestimmte Wellenlängen aus dem Lärm herausgefiltert werden, in der Hoffnung, man könne dann mit diesen Wellen den Lärm mehr nach oben ablenken und so die Wirkung der Lärmschutzwand vergrössern. Es schien mir das gleiche Prinzip: Einzelne Töne bringen Ruhe in die Unruhe.

Unweigerlich kommen dabei auch die Songlines der australischen Aborigines in den Sinn. Auch diese sprachen mitunter von Linien oder Klängen in der Landschaft, denen sie folgten. Auf einem Walkabout konnte es die Aufgabe eines jungen Menschen sein, den eigenen Klang zu finden.

Die Ruhe finde ich also im Innen, nicht im Aussen. Im Aussen sind die Dinge bewegt. Im Inneren haben wir eine Art Klangschiene, der wir einerseits folgen können und uns dadurch die nötige Ruhe gibt, sofern wir auch auf sie hören. Im Aussen sind die Dinge hingegen bewegt. Das müssen sie auch, denn das Leben ist Bewegung. Alle unsere Versuche im Aussen anzukommen scheitern deshalb. Stattdessen können wir auf unseren inneren Klang suchen und hören.



Grottes de Waroly in der Nähe von Mancenans-Lizerne.