Donnerstag, 1. Dezember 2011

Loslassen


Als Schamanen gehen wir unseren eigenen Weg, ein Weg des Herzens, bei dem wir jede Entscheidung mit dem Herzen fällen und so die Absicht des Universums erfüllen. Dies hat zur Konsequenz, dass wir andere Wege, beziehungsweise andere Entscheidungsgrundlagen loslassen müssen. Anders ist ein solcher Weg nicht möglich. Ich möchte hier deshalb einige Punkte erwähnen, bei denen Loslassen ein Thema sein könnte. Es lohnt sich, diese durchzugehen, und zu beurteilen, ob wir in diesen Bereichen wirklich losgelassen haben. Die nachfolgende Liste ist natürlich unvollständig und nicht der Wichtigkeit nach geordnet. Auch überlappen sich die Themen teilweise und zudem ist sie persönlich gefärbt. Gerne veröffentliche ich deshalb in der nächsten Ausgabe weitere Themen des Loslassens der Leserinnen und Leser.

Der konkrete Ausgang von Entscheidungen loslassen: Eigene Wege sind nicht auf äussere Ziele gerichtet, d.h. wir fällen eine Entscheidung, im Bewusstsein, dass es uns gleich ist, wie sie herauskommt. Ob uns etwas gelingt oder nicht, ob wir ein Ziel erreichen oder nicht, ob sich etwas verändert oder nicht – all dies spielt somit keine Rolle. Wir lassen also den Ausgang von Entscheidungen offen.

Die Bewertung von Ereignissen, Begebenheiten, Gegenständen etc. loslassen: Die Dinge sind wie sie sind. Wir beobachten sie und falls sie bei uns Gefühle oder Verzweiflung auslösen, dann haben wir einen Entscheidungsbedarf. Das heisst aber nicht, dass die Dinge gut oder schlecht sind, sie sind einfach und in diesem konkreten Umfeld haben wir einen Weg zu gehen. Wir lassen also die Bewertung der Umstände los.

Die Identifikation mit etwas loslassen: Wir sind Wesen, welche erkannt haben, dass es eigene Wege gibt, dass es darum geht, die Absicht des Universums zu erfüllen. Deshalb identifizieren wir uns nicht mehr mit einer der vielen Kategorien von Menschen, die es gibt. Wir identifizieren uns also nicht mehr mit unserer Nationalität, mit unserem Beruf, Familienstand, Sozialstatus oder mit unserer Rasse usw. Wir sind einfach uns und lassen jede Bezeichnung oder Kategorisierung los.




Herbst ist eine Zeit des Loslassens. Fotos: Jakob

Die Erwartung, unterstützt und anerkannt zu werden, loslassen: Unterstützung kann auf unserem Weg vorhanden sein oder auch nicht. Wir lassen dies offen. Wir wissen dabei, dass oft hinter der Unterstützung, die wir erhalten, eine Absicht versteckt ist, die nicht unbedingt mit unserem Weg sondern mit den Ideen und Vorstellungen des anderen zu tun haben. Wir hegen also keine Hoffnungen von anderen unterstützt oder anerkannt zu werden. Kommt Unterstützung und Anerkennung trotzdem, sagen wir natürlich nicht nein. Wir haben sie einfach nicht erwartet.

Sicherheit loslassen: Meist hat Sicherheit einen Preis, ein System, eine Institution oder eine Beziehung bieten oft nur dann Sicherheit, wenn wir gewillt sind, die Bedingungen des Systems, der Institution oder Beziehung zu anerkennen. Und es müsste gerade Zufall sein, falls diese Bedingungen mit unserem Weg übereinstimmen. Aus diesem Grund müssen wir unser Bedürfnis nach Sicherheit loslassen.

Erfolg loslassen: Ähnlich zur Beobachtung über den Ausgang von Entscheidungen, messen wir uns nicht am Erfolg unserer Handlungen. Es kommt also nicht darauf an, ob wir Karriere machen oder nicht, ob wir Geld, viele Kunden, viele Liegenschaften etc. haben, sondern es kommt darauf an, dass wir uns selbst werden beziehungsweise unsren Weg gehen. Wir lassen also Erfolg los.

Vorstellungen über einen Idealzustand loslassen: Wir lassen unsere Vorstellung darüber los, wie die Dinge besser sein könnten. Wir sind in einem Umfeld voller Probleme, wir akzeptieren diese und machen uns nicht zu viele Gedanken darüber, wie sie besser sein könnten, sondern wir schauen, was diese Umgebung mit uns selbst zu tun hat. Haben wir dies erkannt, arbeiten und heilen wir an uns.

Seine Vergangenheit loslassen: Wir leben im Jetzt. Hierzu anerkennen wir zwar, dass wir eine Vergangenheit haben, aber wir lassen diese los, so dass diese uns nicht mehr beeinflusst und unsere Wahrnehmung im Jetzt stört.

Diese Liste gibt lediglich einige Ideen. Weitere Themen des Loslassens gibt es überall. In ganz vielen Bereichen des Lebens können wir so zu mehr Freiheit gelangen.

 

Eine persönliche Geschichte des Loslassens:

 

Jakob: Die Themen in einem Forum kommen natürlich nicht von ungefähr – ich kann nicht anders, als solche zu wählen, die mit mir selbst zu tun haben. Das Thema Loslassen kam unter anderem deshalb auf, weil ich beschloss, mein amerikanisches Bürgerrecht aufzugeben (ich war Doppelbürger CH – USA). Der Anlass war der Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA und die immer krasser werdenden Steuerforderungen an Amerikaner im Ausland. Jeder Amerikaner im Ausland ist auch in den USA steuerpflichtig. Die notwendigen und sehr komplexen Formulare muss man sich im Internet selber zusammensuchen, auf eine Verfügung wartet man vergebens, doch laufen die Strafen für unverhoffte Fehler sehr schnell in die Zehntausende von Dollars. Es besteht zudem das sehr grosse Risiko, dass Auslandamerikaner nach der Inkraftsetzung neuer amerikanischer Gesetze ab 2014 Schwierigkeiten haben werden. normale Bankkonten zu führen, bei Pensionskassen Mitglied zu sein etc. Ich ging tief in mich, hörte auf mein Herz und es wurde klar: Ich gebe mein amerikanisches Bürgerrecht auf.

Ich war seit Geburt Amerikaner und habe viele Jahre dort verbracht, darunter viele Jahre meiner Kindheit. Ich habe auch unzählige Reisen in die USA unternommen und bin dort dem Schamanismus begegnet. Die Verbindungen zu diesem Land sind deshalb stark und dennoch sagte mein Herz eindeutig Ja zur Ausbürgerung.

Das Bürgerrecht der USA aufzugeben ist jedoch nicht gerade einfach, man muss persönlich in einer Botschaft oder einem Konsulat vorbei, dort das Bürgerrecht buchstäblich mit erhobener rechter Hand abschwören (I so swear…) und dazu noch $ 450 bezahlen. Da zurzeit Tausende von CH-USA Doppelbürger das Bürgerrecht aufgeben, bekam ich in Bern einen Termin anderthalb Jahr später, im Mai 2013 (!). Als Alternative bot sich das Konsulat in Frankfurt an, und ich beschloss dorthin zu gehen. Diese Option hatte zudem den schönen Vorteil, dass ich mich zusammen mit meiner Schwester ausbürgern konnte.

 


 

Joshua Tree National Park. Hier beregnete ich zum ersten Mal dem Schamanismus. Foto: Jakob

 Monate vorher, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass meine Ausbürgerung bevorstehen würde, hatte ich einen Flug nach Los Angeles gebucht. So konnte ich kurz vor der Ausbürgerung noch eine letzte Reise als Amerikaner in die USA unternehmen und hatte so Gelegenheit einerseits nochmals die Orte meiner Kindheit zu besuchen und auch nochmals der Ort, wo ich dem Schamanismus begegnet bin. Diese Reise hatte sehr viel mit Loslassen zu tun, es war ein bewusstes Abschied nehmen von prägenden Orten, ein Loslassen, also,  meiner Vergangenheit.
 

Militärfriedhof gegenüber meinem ersten Wohnort in Los Angeles.Foto: Jakob


Als allerletzter Ort ging ich an die Strasse in Los Angeles, wo ich die ersten anderthalb Jahre meines Lebens verbrachte. Der Block stand nicht mehr, ich entdeckte aber gegenüber einen riesigen Militärfriedhof. Als allerletzte Handlung in den USA ging ich in diesen Friedhof und schaute die Gräber an. Ich dachte: So viele Soldaten wurde gesagt, dass sie ihr Leben für die USA aufgeben. Und hier war ich, und gab das Bürgerrecht freiwillig auf…

Nur wenige Wochen später reiste ich nach Frankfurt und wir gingen dort durch den Prozess der Ausbürgerung. Das Gelände des Konsulates wirkte kalt und wie ein Gefängnis, riesig mit unzähligen Gebäuden und sogar eine kleinen Kirche hatte es – und alles hinter einem hohen Zaun. Auch die Kammer, in der das Schwören stattfand, war kalt und klein, getrennt mit einer Glaswand vom Beamten, welcher den Schwur durchführte. Und interessanterweise war das Konsulat – so wie die erste Strasse in Los Angeles - gegenüber von einem riesigen Friedhof.

Das Ausbürgern war für mich alles andere als einfach. In erkannte darin auch das, was ich mittlerweile als amerikanische Indoktrination bezeichne (z.B. der tägliche Fahnengruss in der Schule). Der ganze Vorgang zeigte alle Elemente des Loslassens auf: Die vermeintliche Sicherheit, die ein System (hier ein Land) bietet, die Identifikation als Nationalität, das Loslassen der Vergangenheit, das Loslassen eines Idealzustandes (ich darf Doppelbürger bleiben) und natürlich auch das Loslassen des konkreten Ausgangs, denn ich weiss nicht, ob dieser Entscheid sich in Zukunft als geschickt herausstellen wird oder nicht. Aber es fühlte sich richtig an, es war ein Entscheid des Herzens, alles andere folgt nun.

 

Und ich habe auch den Eindruck, dass diese Ausbürgerung damit zu tun hat, dass ich nun – was Schamanismus betrifft – auf eigenen Füssen stehen soll. Ich soll meine Inspiration nicht mehr vom Land dort und von der indianischen Kultur bekommen sondern in mir selbst.  Auch das ist ein wichtiger Schritt des Loslassens.

 



 

Teile des Konsulates in Frankfurt, das Gelände ist 9 ha gross und 900 Mitarbeiter arbeiten dort…

 

Freitag, 11. November 2011

Lärm


Das letzte Forum behandelte Kapitalismus. Es ging unter anderem darum, wie auf der materiellen Ebene die einen auf Kosten der anderen leben. Diese Mechanismen gibt es selbstverständlich nicht nur auf der materiellen, sondern auch auf der Ebene der Seele.  Auch dort profitieren die einen auf Kosten der anderen. Wie auf der materiellen Ebene, gibt es also auch auf der Seelenebene Parasiten: Die Seelen dieser Parasiten nähren sich an den Seelen anderer. Es gibt unzählige Mechanismen, wie dieser Energieklau funktioniert, aber eine wichtige Methode ist Lärm. Insbesondere auf der Ebene der Seele, wird Energie mit Aufmerksamkeit transferiert, d.h. der-, die- oder dasjenige, welches Aufmerksamkeit auf sich lenken kann, hat einen Energiegewinn. Wer Lärm oder sonst welche Geräusche produziert, kann damit Aufmerksamkeit auf sich lenken und entzieht auf diese Weise den „Zuhörern“ Energie. Ob diese Aufmerksamkeit positiv ist - uns gefällt das Geräusch - oder negativ - wir lehnen es ab - spielt dabei keine Rolle. Mit unserer Aufmerksamkeit geht auch unsere Energie dorthin. Grund genug, das Phänomen Lärm genauer anzusehen. (Vielleicht nicht zufällig, dass ich bei den Schweizerischen Bundesbahnen im Bereich Lärm tätig bin…).

 
 

 
 
 

Ruhe ist notwendig, damit wir zu uns finden. Foto: Jakob
 

 

 
 
Schild in der Nähe von Muotathal, vermutlich von einem Schützen angeschossen… (Foto: Jakob).
 


Also: Wer Lärm macht, wer überhaupt irgendwelche Geräusche oder Klänge von sich gibt, zieht die Aufmerksamkeit anderer auf sich und das nährt die Seele des Lärmproduzenten. Dies ist ein parasitisches Verhalten, denn Seelen können genauso gut direkt vom Universum, direkt von einer übergeordneten Kraft ihre Energie erhalten und sind deshalb nicht von der Energie anderer abhängig. In der Regel sind es eigene Verwundungen, welche dazu führen, dass die Energie nicht vom Universum, vom Göttlichen, sondern von den Mitmenschen stammt. Verwundete Menschen, Menschen mit Energiedefiziten, suchen sich also die Aufmerksamkeit anderer und machen hierzu unter anderem Lärm.

Wenn wir gut hinhorchen und beobachten, wer und was Lärm macht, können wir deshalb ziemlich genau erkennen, wer oder was sich parasitisch von anderen Seelen ernährt. Dabei gehören zum Lärm alle Geräuschquellen, d.h. auch Musik, Naturgeräusche, alles muss in dieser Beobachtung mit berücksichtigt werden. Denn ob etwas Musik oder Lärm ist, ist eine reine Frage der Definition. Und nochmals: Aufmerksamkeit ist Energie, ob nun positiv oder negativ gefärbt spielt keine Rolle.

Der Energiegewinn eines Lärmproduzenten ist je grösser, je mehr Aufmerksamkeit er damit auf sich richten kann. Diese Aufmerksamkeit muss jedoch noch durch die Anzahl Personen geteilt werden, welche an der Lärmproduktion beteiligt sind. Ein einzelner Mensch auf einem Motorrad gewinnt deshalb mehr Energie, als eine Person in einem vollen Zug. Ein Pilot eines kleinen Sportfliegers erhält mehr Energie als ein Linienpilot, ein Autofahrer mehr als ein Busfahrer, ein Passagier in einem leeren Bus mehr als in einem vollen. Und so weiter…
 

 
"Der Lärm schützt uns vor peinlichem Nachdenken,
er zerstreut ängstliche Träume,
er versichert uns, dass wir ja alle zusammen seien und ein solches Getöse veranlassen, dass niemand es wagt, uns anzugreifen..."

Carl Gustav Jung
 


Der Energiegewinn kann zudem auch indirekt über Güter geschehen. Werden Güter in lauten Zügen transportiert, so haben diese mehr parasitische Energie, als wenn sie in leisen Zügen befördert wurden. Güter die weit transportiert worden sind, haben so mehr dieser Energie als solche, die nur lokal befördert worden sind. Diese Energie überträgt sich dann auf die Menschen, welche diese Güter konsumieren.

Haben die Geräusche Inhalte, zum Beispiel Musik oder Gespräche, so ist der Gewinn an Aufmerksamkeit und somit an Seelenenergie noch grösser. Ein Telefongespräch in einer bekannten Sprache raubt zum Beispiel mehr Energie als in einer unbekannten.

Die Summe des Energiegewinns durch Lärm ist also die Summe der Aufmerksamkeit, welche durch Lärm dieser Person direkt oder indirekt zugutegekommen ist.

Hier soll nochmals gesagt werden, dass es rein quantitativ keine Rolle spielt, ob diese Aufmerksamkeit nun positiv oder negativ gefärbt ist. Rein die Tatsache, dass die Energie von anderen kommt und nicht direkt vom Universum ist das Problem. Eine derart gewonnene Energie ist immer problematisch, immer nur eine kurzfristige Symptombekämpfung,  die sofort nach mehr schreit. Dies ist wohl ein Grund, wieso Lärmpegel immer steigen, obwohl mittlerweile genügend lärmmindernde Technologien vorhanden wären.

Der Lärm gibt also ein Anzeichen dafür, wie parasitisch etwas ist, wie stark es also von anderen leben muss. Schauen wir uns einige Lärmarten genauer an:

Verkehr: Verkehr ist ein sehr beliebter Mechanismus, um Energie aus anderen zu ziehen. Wie erwähnt, hängt der Gewinn eines einzelnen davon ab, wie viel Aufmerksamkeit anderer er auf sich lenken kann. Ein Motorrad bringt mehr als ein Bus, ein Privatflugzeug mehr als ein Linienjet usw. Kommt die Freude eines Motorradfahrers nun wirklich von den Kurvenreichenstrassen oder von der Aufmerksamkeit, die er gewinnt? Menschen, die keinen parasitären Energiegewinn notwendig haben, wählen leise Verkehrsmittel.

Kirchengeläute: Kirchenglocken beweisen, dass die Energie der Kirchen nicht vom Göttlichen sondern von den Anwohnern und Kirchengängern stammt. Dass in Kirchen musiziert und gemeinsam gesungen wird verstärkt diesen Effekt. Eine Kirche, die sich mit dem Göttlichen verbindet, hätte es nicht nötig, Geräusche zu produzieren.

Schiesslärm: Zumindest in der Schweiz ist Schiesslärm sehr präsent. Oft sind Schiessstände zudem in dicht besiedelten Gebieten. Ein Schütze gewinnt pro Schuss so einiges an Energie. Ginge es nicht um Energiegewinn, sondern darum, mit einer Waffe ein Ziel zu treffen, dann könnten Schützen auch mit Pfeil und Bogen schiessen.

Tierglocken: Aller Bergromantik zum Trotz, Älpler erzielen einen Energiegewinn über die Glocken ihrer Tiere. Sie verhindern die Stille in den Bergen und lenken die Aufmerksamkeit und Energie auf sich. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass Bergwanderer offener und so empfänglicher sind, als wenn sie in den Städten sind. Der wirklich natur- und bergverbundene Älpler hätte wohl kaum Glocken an seinen Tieren. (Es gibt Thesen, wonach Tierglocken früher dazu dienten, böse Geister zu vertreiben. Wahrscheinlich waren diese Geister nicht böse, sondern es handelte sich um Naturgeister. Diese mussten vertrieben werden, damit die damaligen Machtträger ihre Macht besser ausüben konnten. Menschen mit gutem Kontakt zu Naturgeister sind in der Regel schwieriger zu kontrollieren.)

Mobiltelefongespräche: Mit Mobiltelefongesprächen kann der Umgebung sehr gut Energie entzogen werden. Hier wird die Aufmerksamkeit zusätzlich durch den Inhalt gebunden. Da Mobiltelefone Verstärker haben, müsste gar nicht laut gesprochen werden, zudem könnten die meisten in der Öffentlichkeit sprechenden Menschen problemlos an einem  Ort telefonieren, wo es weniger Zuhörer hat (z.B. im Vorraum eines Zuges).

Andere Lärmquellen: Hören Sie sich um, was macht sonst noch alles Lärm? Von meinem Block aus sehe und höre ich zum Beispiel ein Einfamilienhausquartier. Hier herrscht ein wahrer Krieg um Aufmerksamkeit mittels Rasenmäher und anderen Gartengeräten. Kein Sommerabend ohne Rassenmäher, Kettensägen, Trimmer, Laubgebläse und dergleichen. Wieso wählen die Bewohner nicht leise Rasenmäher? Wieso mähen Sie immer ihren Rasen, wenn andere das nicht gleichzeitig tun? Wieso schneiden sie die Hecke nicht von Hand? Auf der seelischen Ebene ist es ein Kampf um Aufmerksamkeit, um seelische Energie. Überhaupt, bei allen Lärmquellen, so scheint mir, geht es um Energie. Wieso wird in Gartenbeizen so laut gesprochen? Wieso wird am 1. August Lärm mit Feuerwerken gemacht? Und so weiter: Beobachten Sie Ihre Umgebung!

Wir sehen: Anhand von Lärm lässt sich also analysieren, wer und was Energie von uns nimmt. Wir können Beobachtung aber auch umkehren. Wir selber produzieren auch Lärm. Und wenn wir unseren eigenen Lärm betrachten, erkennen wir, wo wir uns noch nicht mit dem Universum, dem Göttlichen, verbunden haben. (Sind wir ganz leise, heisst umgekehrt jedoch nicht, dass wir nicht mit anderen Methoden, Energie und Aufmerksamkeit anderer auf uns lenken…).

Nun, wie immer, es reicht nicht, wenn wir nur beobachten. Es geht auch darum, mit diesen Erkenntnissen etwas zu tun. Beide Phänomene – wir sind Lärmopfer oder -täter - zeigen auf eigene Themen, eigene Verwundungen. Sind wir geheilt, werden wir einerseits nicht vom Lärm der anderen abgelenkt und andererseits produzieren wir nur wenig Lärm. Lärm zeigt also auf, wo wir noch an uns arbeiten können.

Wie kann die Heilung oder die Arbeit an uns selbst konkret aussehen? Mit einer guten Charakterisierung des Lärms und was er auslöst, kommen wir unseren Themen näher. Anschliessend geht es darum, die dazugehörigen Empfindungen zuzulassen. Hier ein persönliches Beispiel:

Privatfliegerei: Von allen Lärmarten stören mich zurzeit die kleinen Sportflugzeuge am meisten. Mir kommt es vor, als gäbe es kein Entrinnen, selbst in abgelegenen Bergtälern oder in menschenleeren Wüsten – immer wieder höre ich ein Kleinflugzeug. Auch fühle ich mich ihnen gegenüber ungeschützt, denn der Lärm kommt von oben. Schliesslich bringen die tiefen Frequenzen mein Gehirn zum vibrieren…Was sind nun meine Wunden? Wieso schenke ich diesen Flugzeugen so viel Aufmerksamkeit? Ich beobachte mich genau: Ich bin draussen und möchte mich der Natur und dem Universum öffnen. Das Flugzeug stört diesen Kontakt, meine Seele kann so nicht mehr direkt mit dem Universum in Kontakt treten. Der Lärm parasitiert also meine Verbindung zum Göttlichen. Wieso ist das möglich? Es ist ein Mangel an Vertrauen, eine Verzweiflung, die immer wieder aufkommt, wenn ich das Universum nicht spüre. Ich heile dies wiederum, indem ich die Verzweiflung zulasse, welche diese gekappte Verbindung auslöst.

Fassen wir zusammen: Seelen gewinnen parasitische Energie, indem sie die Aufmerksamkeit anderer auf sich lenken. Die Energie ist deshalb parasitisch, weil sie nicht nötig ist, sondern auch direkt vom Universum, von einer höheren Kraft zu uns fliessen würde. Lärm ist eine Möglichkeit, wie die Aufmerksamkeit anderer auf uns gelenkt werden kann. Wir selbst sind sowohl Opfer wie auch Täter. Indem wir uns heilen und unsere Themen erkennen, können wir uns aus diesem Spiel entfernen und unsere Energie direkt von einer übergeordneten Kraft erhalten.

Nochmals: Lärm ist nicht die einzige Art, wie auf einer seelischen Ebene Energie geklaut werden kann. Weil etwas leise ist, heisst also nicht, dass es nicht parasitär ist. Die Beanspruchung von viel Raum ist zum Beispiel ein weiterer Mechanismus des Energieklaus, so sind grosse Häuser oder Golfplätze parasitär, auch wenn sie leise sind. Ist etwas schneller als etwas anderes, so kann dadurch parasitische Aufmerksamkeit gewonnen werden. So entzieht ein Mountainbiker einem Wanderer Energie, auch wenn er keinen Lärm macht.  

Sonntag, 30. Oktober 2011

Umgang mit den Krisen des Kapitalismus


In den Nachrichten sind wieder einmal die Finanzen beziehungsweise die Krisen des Kapitalismus im Vordergrund. Die Börse geht hinunter, hinauf, der Franken geht hinauf, hinunter, wir lesen von Staatsverschuldung, der Unterschied zwischen Arm und Reich vergrössert sich ständig, auf immer neue Arten wird Geld von arm zu reich umverteilt. Wir werden ungleicher, die Starken verdrängen die Schwachen, es ist jeder gegen jeden und viele bleiben dabei auf der Strecke. Und das alles nur ein unvollständiger kleiner Abriss…

Wie gehen wir als Schamanen - als Menschen die eigene Wege des Herzens gehen - damit um? Wie leben wir, wenn wir ein Teil dieses Systems sind und trotzdem eigene Wege gehen wollen? Wir verdienen Geld, wir geben es aus, so sind wir ein Teil des kapitalistischen Systems ob wir wollen oder nicht… Die Lösung ist immer die gleiche: Wir behalten den Kontakt mit dem Universum, wir entscheiden mit dem Herzen und schauen gleichzeitig, was wir heilen können. Wir betrachten das Aussen, wir beobachten also diese Krisen und schauen dabei, was sie in uns auslösen. Das, was uns betroffen macht, ist der Schlüssel zu unserer Heilung.

Zu den Herzentscheiden: Hier ist darauf zu achten, dass wir keine Bauchentscheide treffen. Wir entscheiden uns also beispielsweise nicht, einen Notvorrat anzulegen oder Gold zu kaufen, weil wir Angst vor der Zukunft haben.  Es sind auch keine Kopfentschiede. Wir entscheiden uns also genauso wenig, einen Notvorrat anzulegen oder Gold zu kaufen, weil es nach unserer Analyse in der Zukunft eine Nahrungsmittel- oder Währungskrise geben wird. Wir würden dies nur dann tun, falls unser Herz dazu ja sagt. Das heisst wir achten auf unsere Empfindung im Bereich des Herzens und hören so auf die Absicht des Universums. Ob dieses Verhalten uns finanzielle Verluste einbringt oder wir einmal nicht genügend zu essen haben ist belanglos. Es geht um unseren Weg und um sonst nichts. Und so wissen wir immer, dass diejenigen Erlebnisse kommen, die genau zu uns passen. Wir lassen also uns gewähren und ob sich dies im Nachhinein als finanziell geschickt herausstellt oder nicht ist unbedeutend. In anderen Worten: Die wichtigste Übung beim Umgang mit Krisen aller Art ist, das Entscheiden mit dem Herzen.

Der zweite Punkt ist, dass wir die Situation genau betrachten und schauen, was sie in uns an Schmerz, an Gefühlen wie Wut oder Sehnsucht oder an Verzweiflung auslöst. Diese Empfindungen geben uns Gelegenheiten zu heilen. Manche mögen sagen, ich bin darüber hinweg, ich lasse es nicht an mich herankommen. Das hilft aber wenig, denn es geht darum, Krisen voll zuzulassen, ehrlich zu sein, damit wir wirklich alles erkennen können was in uns selbst vorgeht. Hier exemplarisch einige Beispiele von Elementen des Systems, welche mich betroffen machen:

·        Ich fühle Wut, weil ich spüre, wie die Situation falsch dargestellt wird. Die Staatsverschuldung ist eine direkte Folge der Bankenhilfe. Und die damaligen Probleme der Banken sind wiederum das Problem des Giers einzelner Menschen. Ich bin wütend auf die Lügen und auf die falschen Erklärungen anderer und darauf, dass ich am Ende zur Kasse gebeten werde.

·        Ich spüre Wut, dass stets die Ärmeren die Zeche zahlen und dass es bei diesen Krisen immer darum geht, eine Umverteilung von Arm zu Reich vorzunehmen. Also Wut darauf, dass andere für die Verantwortungslosigkeit einzelner bezahlen müssen.

·        Ich bin wütend, dass dieses Thema derart präsent ist. Es ist ärgerlich, dass ich den Eindruck bekomme, ich müsse mich mit Angelegenheiten des Geldes auseinandersetzen, obwohl mir dies gar nicht liegt. Es macht mich wütend, dass ich das Gefühl bekomme, ich müsse mich irgendwie optimal verhalten. Gleichzeitig spüre ich Verzweiflung darüber, dass dies nicht gelingt, und dass es auch nicht klappt, meine Aufmerksamkeit nicht auf diese Fragen zu lenken.

·        Ich bin wütend auf Banker und Machtträger, weil diese derart profitgierig sind und dabei das Gesamtsystem ausser Acht lassen.

·        Ich spüre Wut auf die unüberlegten Reaktionen der Politik. Es ärgert mich, dass gewisse Parteien die Krise zu Wahlzwecken ausnützen. Wut also darauf, dass gewisse Gruppen genau die Krise herbeiführen um dann gleichzeitig sich selbst als Lösungsträger darzustellen.

·        Ich spüre eine Sehnsucht nach einer kooperativen Gesellschaft, einer an der kreativ an Lösungen gearbeitet werden kann und in der nicht so viel durch gegenseitiges Zerfleischen verloren geht.

·        Ich empfinde Sehnsucht nach mehr Weisheit, Sehnsucht nach Menschen in Führungspositionen, denen man vertrauen kann und Sehnsucht nach Stabilität, so dass ich mit einer gewissen Sicherheit im Alter rechnen kann.

·        Ich bin verzweifelt, dass die Entscheidungsträger derart eingeschränkt sind. Ich fühle Verzweiflung, dass ich unter den gegebenen Umständen keine Lösung sehe, solange diese Menschen noch das Sagen haben.

Und so geht das weiter… Eine solche Liste mag erschüttern. Aber sie ist der Schlüssel zur Heilung, denn sie zeigt auf, wo unsere Wunden sind. Nun geht es darum, die Themen eines ums andere durchzugehen und dabei immer die Frage zu stellen, woher kommt diese Wunde und wie kann ich sie heilen?

In der Regel beinhaltet die Heilung das Zulassen der Gefühle. Das heisst ich bin  wütend auf alles, was ich eben aufgelistet habe. Ich lasse diese Wut zu, ich spüre sie in allen Poren. Oft wird dies mich auch in vergangene Wut in ähnlichen Situationen führen. So spüre ich die Wut, die ich als Kind hatte in Situationen, in denen ich für die Verantwortungslosigkeit anderer gerade stehen musste. Oder ich spüre die Sehnsucht nach Weisheit, die ich auch schon als Kind hatte. Ich spüre alles, ich lasse alles zu, ob es nun Sinn macht oder nicht, ob es nun den Tatsachen entspricht oder nicht. All dies spielt keine Rolle, es geht nur um das Fühlen, um das Empfinden. Es geht nicht darum, Vorwürfe auszusprechen, es geht auch nicht darum, anderen die Wut oder die Sehnsucht zu kommunizieren. Es geht nur um die eigenen Gefühle, Empfindungen, um den eigenen Schmerz also. Dieser muss zugelassen werden. Punkt, um Punkt, um Punkt. Intellektuelle Analysen sind überflüssig – Fühlen, Spüren…

Und als ich meine spirituelle Helferin fragte, wie gehe ich mit der gegenwärtigen Krise um, so antwortete sie:: „Behalte den Kontakt mit dem Universum, lasse dich nicht ablenken.“ Ich sehe, wie ich auf einen Hügel wandere und wie vor mir die Sonne aufgeht. Vor mir ist eine neue Welt, ruhig und friedlich. Hinter mir sehe ich den zerstörten, brennenden Kapitalismus. Ich frage: „Wie gelange ich dorthin?“ „Arbeite an dir, arbeite an deinen Themen!“

Und dies ist auch die Antwort auf die Frage: Wie bereitet man sich für zukünftige Krisen vor? Wir gehen unseren Weg, wir heilen uns. Es hat keinen Sinn, Notvorräte anzulegen, Land zu kaufen, damit man in Zukunft etwas anbauen kann, Goldreserven anzulegen, Dieselgeneratoren zu kaufen, Immobilien anzuschaffen und dergleichen. Sondern die beste Vorbereitung ist das Leben im Jetzt: Unser Weg und unsere Heilung.

Montag, 1. August 2011

Sterben


Mitten im Sommer ein Forum zum Thema Sterben? Der erste August, Lugnasad bei den Kelten, war ein Feiertag, welcher der Ernte, der Vollendung also, gewidmet war. Und Vollendung hat immer auch mit Sterben zu tun. Ist etwas abgeschlossen, dann stirbt es…

Aber dies ist nicht der einzige Grund, wieso ich Sterben thematisiere. In der letzten Zeit starben nahestehende Menschen von wiederum mir nahestehenden Personen. Gewissermassen waren diese Todesfälle also eine Person von mir verschoben – dennoch beschäftigten sie mich sehr. Meine Gedanken und Beobachtungen sind viele, aber diese möchte ich in dieser Ausgabe nicht systematisch aufzählen (vielleicht einmal in einer späteren Nummer), sondern im Folgenden verbinde ich mich mit dem Sterben als solches und beschreibe intuitiv die Bilder und Worte, welche dabei spontan aufkommen. Ob so neue Erkenntnisse aufkommen?

Und so beginnt es:

Ich liege auf einem Scheiterhaufen und umarme mich selbst als Säugling; Gleichzeitig bin ich ein Säugling und halte mich als alter Mann. Wir umarmen uns beide gegenseitig und mir ist klar: Ich bin beides. Wir gehören zusammen, wir sind eins. Von uns aus strahlt Licht in alle Richtungen, Wellen der Energie, wohl sind das Wellen der Seele. Diese Wellen treffen andere Wellen, welche von Paarungen von Säuglingen und alten Menschen stammen. Es ist ein Meer von Wellen, welche aufeinandertreffen und zeigen, wie alles miteinander verbunden ist. Es ist ein schönes Gefühl von Sein.

Was ist Sterben? Ich sehe einen Rand, eine Abgrenzung, es ist der Abschluss, es ist der alte Mann und es ist der Säugling, beide gleichzeitig. Dort ist der Tod - dort ist die Geburt. Beide bedeuten das Gleiche. Zwischen diesen strahlt das Leben aus. In alle Richtungen. Weit über die Geburt und weit über Tod aus. Geburt und Tod sind wie zwei Pole, zwischen denen Energie entsteht, ein Feld gewissermassen, welches von diesen beiden Polen aufgebaut wird. Es ist wie eine Batterie mit einem Plus- und einem Minuspol und dank diesen Polen entsteht Energie. Der Tod ist der eine Pol, die Geburt der andere Pol. Welcher welcher ist spielt kein Rolle. Geburt und Tod sind gleichwertig. Beide benötigt es.

 





Ein Tag findet zwischen Sonnenauf- und -untergang statt. So wie ein Leben. Fotos: Jakob

Und nach dem Tod? Es gibt kein Danach im üblichen Sinn, hingegen ein Ausserhalb. Es gibt ein Bereich Ausserhalb dem Spannungsfeld zwischen Geburt und Tod, dort sind die beiden nicht, ihre Auswirkungen hingegen schon. So gibt es uns nicht vor unserer Geburt und nicht nach unserem Tod, die Energie strahlt aber in alle Zeiten aus.

Was heisst das? Wie gehen wir damit um? Du lebst jetzt. Dein Leben jetzt strahlt aus - in die Zukunft und in die Vergangenheit. Lebe es jetzt, lebe es so, wie es der Absicht des Universums entspricht. So strahlt das Leben aus.  Aber wisse, dieses konkrete Leben ist einzigartig, es gibt es nur einmal. Dieses konkrete Zusammenkommen von einer konkreten Geburt und einem konkreten Tod besteht wirklich nur ein einziges Mal. Werde dessen bewusst, und strahle immer dich aus. Dafür musst du dein Leben leben und insbesondere deinen Tod sterben.

Und mein Bewusstsein, meine Seele? Das Bewusstsein wird durch die Geburt und den Tod gebildet und strahlt von dort auch in andere Zeiten. Aber der Ursprung ist immer diese Zeitspanne zwischen beiden, deshalb ist auch genau dieses Leben so wichtig.

Was heisst das nun? Zwei Dinge: Lebe genau dein Leben und sterbe genau deinen Tod, damit deine Energie, dein Bewusstsein, deine Seele ausgesendet wird. Vergiss nicht, die meisten Menschen sterben nicht ihren Tod, sie sterben einen anderen, sie werden unterwegs von anderen gewissermassen parasitischen Kräften gepackt. Dabei werden sie von ihrem Weg und somit auch von ihrem eigenen Tod abgelenkt. Dem Leben fehlt dadurch der eine wichtige Pol, nicht anders als wenn man bei einer Batterie der eine Pol verschieben oder verändern würde. Die Energie der ganzen Batterie wird dadurch verändert.

Der eigene Tod? Eine sehr wichtige Angelegenheit. Entsprechend sind parasitischen Kräfte beim Sterben und unmittelbar davor und danach aktiv. Wie kommen sie daher? In Form von Verwandten, die meist aus eigennützigen Gründen das Leben des Sterbenden verlängern wollen. In Form der Medizin, welche alle Arten von Therapien und Medikamente anwenden und es dem Sterbenden unmöglich machen, den eigenen Tod überhaupt zu spüren oder zu erkennen. Oder zum Beispiel in Form der Kirche, welche bei Beerdigungen oft ihr Möglichstes tut, um in den ganzen Sterbeprozess einzugreifen und sich selbst dann prominent an diesen Pol stellt.

Und Achtung, auch der andere Pol wird von den gleichen Kräften beeinflusst, so dass viele Menschen nicht ihre eigene Geburt erhalten. Auch hier funkt die Medizin dazwischen, auch hier mischen die Kirchen mit, auch hier wird der Pol parasitiert.

Natürlich soll dies nicht heissen, dass wir keine Medizin zu Rate holen, dass wir keine Beerdigungen mehr machen, dass die Verwandten sich nicht mehr um den Sterbenden kümmern sollen. Nein, es soll heissen, dass die Beteiligten ihr Möglichstes tun, um herauszufinden, was wohl der eigene Tod des Sterbenden sein könnte. Er wird es auf irgendeine Art sagen, wozu wir aber oft sehr gut hinhören müssen. Als Angehörige müssen wir deshalb die Institutionen vorerst auf Distanz halten: Wir geben ihnen nur dann Aufträge, falls dies mit dem eigenen Tod des Sterbenden zu tun hat, aber wir lassen den Prozess nicht von der Medizin und nicht von der Kirche dirigieren.

Damit dies gelingt, gibt es wohl kaum etwas Wichtigeres, als die beteiligten Menschen in ihren eigenen Gefühlen zu unterstützen. Die Trauer, der Schmerz, darf, soll da sein. Wir lassen unsere Gefühle zu und erlauben den anderen ihre Gefühle. Denn es ist nicht nur für uns äusserst wichtig, nein, in diesem Schmerz, spüren wir wohl echter, was der eigene Tod des anderen sein könnte.

Und noch wichtiger: Wir setzen alles daran, dass wir unseren eigenen Tod sterben können. Dazu anerkennen wir, dass es ihn gibt und indem wir im Leben unseren Weg gehen, mit dem Herzen entscheiden, uns entwickeln, also all das machen, wovon hier immer die Rede ist, dann gelangen wir auch ganz in die Nähe unseres eigenen Todes und so wird es etwas leichter, ihn zu erkennen.

Damit wir unseren eigenen Tod sterben können, müssen wir versuchen unser Potential, unsere Kraft, unsere Entscheidungen immer bei uns selbst zu behalten. So angenehm es sein kann, müssen wir darauf achten, so wenig wie möglich zu delegieren. Am wichtigsten ist dabei, dass wir möglichst lange selbst entscheiden. Es mag verlockend sein, wenn die Angehörigen sich um unsere Steuern, Versicherungen, Wohnungseinrichtungen etc. kümmern, aber es hat einen Preis. Die anderen beginnen zu entscheiden und diese kennen unseren Weg und unseren Tod nicht. Entsprechend müssen wir andererseits vorsichtig sein, wenn wir unseren altengewordenen Angehörigen Entscheidungen abnehmen, denn dies kann sie von ihrem eigenen Tod abbringen. Vielleicht wollen wir in bester Absicht ihnen noch ein angenehmes Leben ermöglichen, rauben ihnen aber gleichzeitig die Möglichkeit ihren ureigenen Weg zu gehen. Ein angenehmes Leben führt selten zum eigenen Tod, nein, dieser wird am ehesten erkannt, wenn der Sterbende bis zum Schluss möglichst das Zepter in der eigenen Hand hält, so schwer dieses zwischendurch auch sein mag. Helfen ist nicht verboten, im Gegenteil, aber es ist immer Hilfe zur möglichst grossen Selbstständigkeit.

Und gleichzeitig geht es immer auch um Geburten. Die eigene Geburt ist genauso wichtig wie der eigene Tod. Nur sind wir schon da, und denken, wir können auf den ersten Blick unsere Geburt nicht mehr beeinflussen. Dies stimmt aber nur bedingt, denn wenn wir die Umstände unserer Geburt erfahren, die Abweichungen von unserer eigenen Geburt erkennen und die Gefühle und die Verzweiflung (sollten Abweichungen da sein) zulassen und heilen, korrigiert dies unsere Geburt – sie wird auf diese Weise mehr unsere eigene. Wir kommen dann unserer eigenen Geburt näher und stärken so wiederum unser ganzes Leben.

Und genauso wie wir am Sterbeprozess anderer beteiligt sind, sind wir dies auch bei den Geburten von anderen Menschen. Unsere Aufgabe ist es also, unseren Kindern ihre eigenen Geburten zu ermöglichen.  Wie beim Sterbenden müssen wir beim Gebären ganz genau hinhören und erfühlen, was wohl die eigene Geburt unseres Kindes ist. Wann ist sie und wie soll sie ablaufen? Das heisst, wir müssen sorgfältig mit Eingriffen wie Einleiten  und Kaiserschnitten umgehen. Und genauso wie das Sterben nicht ein einziger Zeitpunkt ist, sondern ein Prozess darstellt, genauso müssen wir mit allen Geburtsprozessen vorsichtig umgehen und genau hinhören, bevor wir Institutionen an diesen Prozess heranlassen, wie zum Beispiel die Kirche mit der Taufe.

Was heisst dies alles zusammengefasst: Unsere Geburt und unser Tod sind sehr wichtig, denn sie bauen das Spannungsfeld auf, welches wir unser Leben nennen. Dazu müssen wir sehr darauf achten, dass wir und andere ihre eigene Geburt und ihren eigenen Tod erleben.  

Mittwoch, 1. Juni 2011

Unberührte Natur


Die Erde, die Pflanzen, die Tiere, die Steine – die gesamte Natur ist dem Schamanen stets sehr nahe. In ihr fühlt er sich aufgehoben und geborgen, in ihr erkennt er die Zusammenhänge, die alles zusammenhalten, mit ihr versteht er, wie er ein Teil von allem ist, dort spürt er die Absicht des Universums, das Göttliche also. Der Kontakt mit der Natur vermittelt ein Urvertrauen, gibt ihm ein Verständnis, für wer er ist und wieso es ihn gibt. Es ist dort, wo er sich stärkt, die Kraft holt, um den eigenen Weg zu gehen, um die eigenen Wunden zu heilen und sich Schritt um Schritt zur Liebe zu bewegen.

Je unberührter die Natur, desto besser gelingt dies. Der Schamane braucht deshalb eine Natur, die von Menschenhand möglichst nicht verändert wurde. Eine Natur, die sich selbst überlassen ist, die sich selbst reguliert ohne Behörden, Landschaftspflege, Management, Förster und dergleichen. Dies damit all seine Sinne, das Sehen, das Riechen, das Hören, das Fühlen das Schmecken voll zugelassen werden können. Dies damit er sich in möglichst reinster Form mit den Auren und Seelen aller Lebewesen verbinden kann. Echt und ohne Veränderung.

Nur, wo gibt es noch solche Natur? Wo hat es noch unberührte Wildnis? In der Schweiz und in den umliegenden Ländern finde ich nur noch kleinste, winzige Inseln. Und auch diese werden weniger. Überall, wirklich überall bemerkte ich den Einfluss des Menschen. Manchmal grob, zerstörend, manchmal aber auch in bester Absicht. Aber es ist menschlicher Einfluss:  Bäume werden gefällt und neue in geraden Reihen gesetzt, Strassen und Häuser gebaut, Waldwege verbessert. Haben wir ein kleines Stück Naturwald vor uns, dann hören wir trotzdem den Lärm von Flugzeugen, Kirchenglocken, Tierglocken, Motorsägen, sehen im Himmel Kondensstreifen, Luftballons, Gleitschirmflieger, begegnen Mountainbikes, Offroaders usw. In Naturschutzgebieten wird gepflegt, gehegt, verändert, unliebsame Pflanzen eliminiert und zusätzliche erklären Tafeln und Themenwege alles. Sicher, es gibt noch schöne Orte, Orte in denen Pflanzen und Tiere gedeihen. Aber keine ohne menschlichen Einfluss.







Der Kontakt mit der Natur ermöglicht den Kontakt mit Allem. Himmel und Erde verbinden sich. Fotos. Jakob. (Bemerkung für kritische Lesende: auch diese Wiesenblumen würden in einer unberührten Natur vorkommen – natürliche Waldlichtungen entstehen in jedem Wald, z.B. wegen Lawinen, Erdrutschen, Waldbränden und Beweidung durch Wild.)

Hinzu kommt, dass kaum jemand Verständnis hat für dieses Anliegen. Nicht nur kein Verständnis sondern sogar eine falsche Vorstellung von unberührt. Stadtparks werben mit „Natur pur“, Landwirte werden für vermeintliche Landschaftspflege bezahlt (alle Pflanzen kämen auch auf natürlichen Waldlichtungen vor), Naturschutzorganisationen fällen artfremde Bäume usw. So entstehen Parks und Zoos und nicht unberührte Natur.

Vieles davon mag schön sein und alte Erinnerungen wecken, aber es ist nicht unberührte Natur, es sind nicht Orte, an denen ein Mensch die volle Verbundenheit erlangen und die daraus resultierenden Erkenntnisse gewinnen kann. Wir werden so zu Menschen ohne eine wahre Grundlage. Unsere Welt verkommt zu einem Vergnügungspark – die Natur inklusive. Unseren wichtigsten Ort der Erkenntnis haben wir zerstört.

Wollen wir echte Natur müssen wir anders vorgehen: Wir müssen loslassen. Die Natur lebt ohne uns. Es gab Wälder, Tiere, Wiesen – alles vor uns. Wir Menschen müssen nichts tun, um sie zu erhalten, wir sind nicht notwendig Die Natur erhaltet sich von alleine.

Es braucht also weniger Aktivität anstatt mehr. Wir müssen mehr Flächen einfach sein lassen. Gebiete schützen in denen nichts gemacht wird. Solche Gebiete bilden dann einen Kern, mit dem der Mensch wieder den Kontakt zu allem, zum Universum, zum Göttlichen aufbauen kann, echt und direkt. Und in diesen Gebieten ist es egal, ob heimische Pflanzen wachsen oder nicht, ob bestimmte Tiere überhand nehmen oder nicht, ob es gepflegt aussieht oder nicht usw. Die Natur wird Hundertprozent sich selbst überlassen, das Universum darf wirken ohne unser Hinzutun.

Loslassen! Gewähren lassen!

Wieso? Ich kann es aus eigener Erfahrung sagen: Meine Erlebnisse an Orten, an denen die Natur wirklich noch Natur war, an denen soweit die Sinne reichten, kein menschliches Zeichen zu erkennen waren, waren äusserst intensiv. Die Verbundenheit, das Einssein war unbeschreiblich – ich kann es nicht in Worten fassen. Aber ich weiss, dass es wichtig ist. Ich weiss, dass unsere Erde dann gerettet werden kann, wenn viele Menschen solche Erlebnisse haben. Es geht in meinen Augen nicht um CO2 Abgaben, Energiediskussionen und dergleichen. Es geht um diese Verbundenheit. Menschen, die dies erlebt haben, entscheiden in Verbundenheit mit der Erde und nicht auf einer intellektuellen Ebene.

Und da bin ich also, sehne mich nach diesen Erlebnisse für mich und für andere und sehe gleichzeitig, wie es immer schwieriger wird, diese zu haben. Es gibt kaum mehr Gelegenheiten unberührte Natur zu spüren. Es ist alles nur noch eine künstliche Welt, sogar dort wo Berge sich erheben und Flüsse fliessen.

Was machen? Wie könnten wir dies alles umkehren?





Sogar in Naturschutzgebieten, wie hier in Süddeutschland, wird eifrig geholzt. Das mittlere Bild zeigt ein Detail aus der Tafel unter der Naturschutztafel. Fotos: Jakob

Es gibt Arbeit im Aussen und Arbeit im Innen. Im Aussen können wir uns für solche Flächen, für ein Naturverständnis einsetzen, welches mit Gewährenlassen zu tun hat. Aber die wahre Arbeit liegt in unserem Inneren. Dort müssen wir das Thema angehen. Wir müssen in unserem Inneren die unberührte Natur zulassen. Wie? Wir lassen uns zu, unsere Gefühle, unser Wesen, unser Weg. Es braucht kein Management von unserem Inneren, wir lassen es einfach zu. Es kommt, was kommt. Es ist, was ist. Wir lassen uns selbst gewähren. Jedes Gefühl, jede Regung – ob richtig oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Wir unterdrücken nichts, kein Gefühl, keinen Schmerz, kein Gedanke.

Also: Es braucht weniger, nicht mehr. Weniger Management, weniger Beeinflussung, und mehr Gewährenlassen. Im Aussen, im Innen. Überall. Und so entsteht ein natürlicher Fluss der Dinge, natürliche Verbindungen zwischen den Wesen dieses Planeten, und daraus schöpfen wir wieder unendlich Kraft. Unsere Kraft kommt also vom Loslassen und vom Gewährenlassen. Und das braucht zusätzlich weniger Zeit und weniger Arbeit.

Und vielleicht wenn wir das Loslassen in unserem Inneren üben entstehen plötzlich wieder Orte im Aussen, die wir ebenfalls gewähren lassen können. An diesen Orten schöpfen wir dann Kraft, um in unserem Inneren die Dinge noch mehr gewähren zu lassen. Was zu noch mehr äusseren Flächen führt. So entsteht ein positiver Zyklus…

 

Freitag, 1. April 2011

Täuschung


Hier möchte ich das Wort „Täuschung“ im Sinne einer falschen Wahrnehmung oder Illusion verwenden, also vorerst nicht als bewusster Betrug oder Irreführung. Hierzu gleich zu Beginn meine These: Jede Wahrheit braucht ein Referenzsystem, sie muss also auf etwas bezogen sein, eine Art Nullpunkt. Da jedoch dieses Referenzsystem beliebig gewählt werden kann, gibt es keine feste und eineindeutige Wahrheit, sondern immer nur eine relative. Und eine relative Wahrheit ist streng genommen keine mehr. In diesem Sinne ist alles auch Täuschung. Also: Alles ist wahr aber alles ist auch Täuschung…

Aber beginnen wir von Vorne:

Wir lassen uns gerne täuschen. Wir geben dies zwar nicht gerne zu, doch ist es so. Wieso sonst würden noch so viele Menschen den deutschen Verteidigungsminister Guttenberg nach wie vor gut finden? Wieso funktionieren Placebos? Wieso funktionieren Methoden wie neurolinguistisches Programmieren? Wieso glauben wir überhaupt, was andere Leute uns sagen oder weismachen wollen? Wieso glauben wir, dass wir in einem guten, freien, demokratischen Land wohnen? Wieso glauben wir Predigern? Wir glauben es gerne, weil wir uns so sehr nach Wahrheit sehnen, nach etwas, woran wir glauben können, was uns Stabilität und Sicherheit gibt. Wir glauben diese Dinge wirklich, die anderen, welche es anders sehen, haben unrecht, sie sehen es falsch.

Sobald wir jedoch einen Schritt weiter denken, dann wird es schnell komplizierter. Denn wir wissen, wie schwierig es ist, die Wahrheit zu erkennen oder mitzuteilen. Jene, die uns die Welt erklären, haben ihre Glaubenssysteme, sind natürlich auch verwundet, haben also auch ihre Themen und das, was sie sagen ist davon gefärbt. Und auch wir haben unsere Glaubenssysteme und sind verwundet und filtrieren entsprechend die Aussagen, die wir hören. Kurz, wir sind wahrscheinlich der Wahrheit näher, wenn wir davon ausgehen, dass alles Täuschung ist, statt dass alles wahr ist. Wir sind näher an der Wahrheit, wenn wir alles, wirklich alles, in Frage stellen. Alles wäre nach dieser Aussage eine Täuschung. Wäre nun die einzige Wahrheit, dass alles eine Täuschung ist?

Wagen wir einmal das Experiment, und gehen davon aus, dass alles, was wir wahrnehmen, eine Täuschung ist: jede Theorie, jeder Gedanke, jede Aussage, jedes Gefühl…


 

 
Sind diese Linien gerade und parallel oder nicht? Mit einem Lineal kann dies überprüft werden.
 
Es wird ein weisses Dreieck wahrgenommen, obwohl keines gezeichnet ist. Quelle für beide Bilder: www.123opticalillusions.com
 

Aber nein – ich höre den Widerstand – sind nicht zum Beispiel Basisgesetzte der Mathematik oder Physik einfach wahr? Hat nicht ein Dreieck immer die Winkelsumme 180°? Gibt es nicht Grundgesetzte, die einfach immer stimmen?

Aber schauen wir diese Gesetze genauer an. Jedes davon braucht ein Referenzsystem, damit es stimmt. Das heisst, es braucht eine Basisannahme, und nur wenn diese gilt, dann ist die Aussage wahr. Das Dreieck muss z.B. in einer Ebene liegen, damit es tatsächlich 180° Winkelsumme hat, sonst stimmt die Aussage nicht. Auch muss zuerst definiert werden, wieviel ein Grad überhaupt umfasst.

Was, also, kann man über Täuschung und Wahrheit noch sagen. Hier meine Beobachtungen:

Jede Wahrheit braucht ein Referenzsystem: Für jede Wahrheit müssen zuerst die Rahmenbedingungen oder eine Referenz definiert werden. Nur innerhalb dieser Rahmenbedingungen ist etwas wahr oder nicht. Beispiele von solchen Referenzsystemen sind die Wissenschaft, der Kapitalismus, Religionen, Glaubenssätze und Ähnliches.

Nichts geht ohne Referenzsystem: So problematisch Referenzsysteme auch sind, ohne geht es nicht. Sie stellen eine Bedingung an unser Leben dar. Das heisst, wir müssen uns in Referenzsysteme begeben, damit wir existieren können. Es ist zwar gleich in welches, aber es braucht eines. Referenzsysteme über unsere Existenz wie „Biologie“, „Gott macht alles“, „Ich bin nur eine Welle“ usw. funktionieren in sich alle. Aber wenn ich sage, es hat gar kein Referenzsystem, dann existiere ich nicht mehr. Ein Zustand ohne Referenzsystem kann ich nicht einmal beschreiben.

Jedes Referenzsystem kann beliebig definiert werden. Jedes dieser Referenzsysteme ist aber beliebig. Ich muss nicht an die Wissenschaft, die Biologie, die Bibel oder den Kapitalismus glauben. Es sind immer andere Referenzsysteme möglich, ich kann immer von einem zum anderen wechseln; von links nach rechts, vom Mensch als Mittelpunkt zur Erde als Mittelpunkt, von einer Zeit, die vor Milliarden von Jahren ihren Nullpunkt hatte zu einer, die jetzt ihren Anfang hat, usw.

Jedes Referenzsystem hat einen Nullpunkt:  Jedes dieser Referenzsysteme muss sich an einem Nullpunkt orientieren, ganz ähnlich zu einem Koordinatensystem in der Mathematik. Z.B. ist einer der Nullpunkte der Wissenschaft, dass die Zeit einen Anfang hat (z.B. ist das Universum zum Zeitpunkt 0 entstanden – viele sagen aus nichts). Oder für gläubige Christen ist der Nullpunkt Gott, aus ihm entsteht alles.

Also. Jedes System ist falsch, jedoch müssen wir uns diesen Täuschungen unterwerfen, damit wir überhaupt existieren können, weil wir nur sein können, wenn zumindest für eine gewisse Zeit Gesetzmässigkeiten herrschen.

 
 
Liegt dieses Bild wirklich verkehrt? Was ist hier das Referenzsystem? (Ich stehe mit den Füssen auf der Erde, halte den Fotoapparat gerade und fotografiere die Spiegelung im Wasser.) Foto: Jakob
 

 Und was sind nun die praktischen Konsequenzen? Immer wenn wir eine Aussage hören, müssen wir darauf achten, welches Referenzsystem dahinter steckt. Wir müssen die Voraussetzungen kennen, unter denen die Aussage gemacht wurde. Statt, dass wir also Aussagen dahingehend prüfen, ob sie nun eine Täuschung sind oder nicht, suchen wir nach den darunter liegenden Referenzsystemen. D.h. wir diskutieren mit anderen nicht mehr über was stimmt und was nicht, sondern höchstens über Referenzsysteme. Und da wir nun wissen, dass diese beliebig definiert werden können, erübrigen sich Streitdiskussionen! Die Erkenntnis, dass alles Täuschung ist, beziehungsweise jede Wahrheit ein Referenzsystem braucht, macht uns auf diese Art sehr frei.

Als Zweites ist es natürlich wichtig, die eigenen Referenzsysteme zu kennen. Selbstverständlich müssen wir dabei anerkennen, dass dieses genauso beliebig sind wie jedes andere. Wir müssen darauf achten, dass wir nichts als absolut wahr bezeichnen.

Also: Es gibt keine Wahrheit, höchstens dann, wenn man ein konkretes Referenzsystem definiert. Und nur innerhalb dieses gibt es logische, oder wahre Schlüsse.

Und was ist nun mit der böswilligen Täuschung, der bewussten Irreführung, das worauf ich zu Beginn genau nicht eingehen wollte? In meinen Augen passt das in das gleiche Schema – eigentlich ist die bewusste Irreführung einfach ein anders Referenzsystem. Für diejenigen Menschen, die das tun, ist es wahr, diese Methoden gehören zu ihrem Weltbild.

Zum Schluss nochmals die Erkenntnis: Nichts ist wahr, alles ist wahr, nichts ist Täuschung, alles ist Täuschung.