Die Erde, die Pflanzen,
die Tiere, die Steine – die gesamte Natur ist dem Schamanen stets sehr nahe. In
ihr fühlt er sich aufgehoben und geborgen, in ihr erkennt er die Zusammenhänge,
die alles zusammenhalten, mit ihr versteht er, wie er ein Teil von allem ist,
dort spürt er die Absicht des Universums, das Göttliche also. Der Kontakt mit
der Natur vermittelt ein Urvertrauen, gibt ihm ein Verständnis, für wer er ist
und wieso es ihn gibt. Es ist dort, wo er sich stärkt, die Kraft holt, um den
eigenen Weg zu gehen, um die eigenen Wunden zu heilen und sich Schritt um
Schritt zur Liebe zu bewegen.
Je unberührter die
Natur, desto besser gelingt dies. Der Schamane braucht deshalb eine Natur, die
von Menschenhand möglichst nicht verändert wurde. Eine Natur, die sich selbst
überlassen ist, die sich selbst reguliert ohne Behörden, Landschaftspflege,
Management, Förster und dergleichen. Dies damit all seine Sinne, das Sehen, das
Riechen, das Hören, das Fühlen das Schmecken voll zugelassen werden können. Dies
damit er sich in möglichst reinster Form mit den Auren und Seelen aller
Lebewesen verbinden kann. Echt und ohne Veränderung.
Nur, wo gibt es noch
solche Natur? Wo hat es noch unberührte Wildnis? In der Schweiz und in den
umliegenden Ländern finde ich nur noch kleinste, winzige Inseln. Und auch diese
werden weniger. Überall, wirklich überall bemerkte ich den Einfluss des
Menschen. Manchmal grob, zerstörend, manchmal aber auch in bester Absicht. Aber
es ist menschlicher Einfluss: Bäume werden
gefällt und neue in geraden Reihen gesetzt, Strassen und Häuser gebaut, Waldwege
verbessert. Haben wir ein kleines Stück Naturwald vor uns, dann hören wir trotzdem
den Lärm von Flugzeugen, Kirchenglocken, Tierglocken, Motorsägen, sehen im
Himmel Kondensstreifen, Luftballons, Gleitschirmflieger, begegnen Mountainbikes,
Offroaders usw. In Naturschutzgebieten wird gepflegt, gehegt, verändert, unliebsame
Pflanzen eliminiert und zusätzliche erklären Tafeln und Themenwege alles. Sicher,
es gibt noch schöne Orte, Orte in denen Pflanzen und Tiere gedeihen. Aber keine
ohne menschlichen Einfluss.
Der Kontakt mit der Natur ermöglicht den Kontakt mit Allem. Himmel und Erde verbinden sich. Fotos. Jakob. (Bemerkung für kritische Lesende: auch diese Wiesenblumen würden in einer unberührten Natur vorkommen – natürliche Waldlichtungen entstehen in jedem Wald, z.B. wegen Lawinen, Erdrutschen, Waldbränden und Beweidung durch Wild.)
Hinzu kommt, dass kaum
jemand Verständnis hat für dieses Anliegen. Nicht nur kein Verständnis sondern
sogar eine falsche Vorstellung von unberührt. Stadtparks werben mit „Natur
pur“, Landwirte werden für vermeintliche Landschaftspflege bezahlt (alle
Pflanzen kämen auch auf natürlichen Waldlichtungen vor),
Naturschutzorganisationen fällen artfremde Bäume usw. So entstehen Parks und
Zoos und nicht unberührte Natur.
Vieles davon mag schön
sein und alte Erinnerungen wecken, aber es ist nicht unberührte Natur, es sind
nicht Orte, an denen ein Mensch die volle Verbundenheit erlangen und die daraus
resultierenden Erkenntnisse gewinnen kann. Wir werden so zu Menschen ohne eine
wahre Grundlage. Unsere Welt verkommt zu einem Vergnügungspark – die Natur inklusive.
Unseren wichtigsten Ort der Erkenntnis haben wir zerstört.
Wollen wir echte Natur
müssen wir anders vorgehen: Wir müssen loslassen. Die Natur lebt ohne uns. Es
gab Wälder, Tiere, Wiesen – alles vor uns. Wir Menschen müssen nichts tun, um
sie zu erhalten, wir sind nicht notwendig Die Natur erhaltet sich von alleine.
Es braucht also weniger
Aktivität anstatt mehr. Wir müssen mehr Flächen einfach sein lassen. Gebiete
schützen in denen nichts gemacht wird. Solche Gebiete bilden dann einen Kern, mit
dem der Mensch wieder den Kontakt zu allem, zum Universum, zum Göttlichen
aufbauen kann, echt und direkt. Und in diesen Gebieten ist es egal, ob heimische
Pflanzen wachsen oder nicht, ob bestimmte Tiere überhand nehmen oder nicht, ob
es gepflegt aussieht oder nicht usw. Die Natur wird Hundertprozent sich selbst
überlassen, das Universum darf wirken ohne unser Hinzutun.
Loslassen! Gewähren
lassen!
Wieso? Ich kann es aus
eigener Erfahrung sagen: Meine Erlebnisse an Orten, an denen die Natur wirklich
noch Natur war, an denen soweit die Sinne reichten, kein menschliches Zeichen
zu erkennen waren, waren äusserst intensiv. Die Verbundenheit, das Einssein war
unbeschreiblich – ich kann es nicht in Worten fassen. Aber ich weiss, dass es
wichtig ist. Ich weiss, dass unsere Erde dann gerettet werden kann, wenn viele
Menschen solche Erlebnisse haben. Es geht in meinen Augen nicht um CO2
Abgaben, Energiediskussionen und dergleichen. Es geht um diese Verbundenheit.
Menschen, die dies erlebt haben, entscheiden in Verbundenheit mit der Erde und
nicht auf einer intellektuellen Ebene.
Und da bin ich also,
sehne mich nach diesen Erlebnisse für mich und für andere und sehe gleichzeitig,
wie es immer schwieriger wird, diese zu haben. Es gibt kaum mehr Gelegenheiten unberührte
Natur zu spüren. Es ist alles nur noch eine künstliche Welt, sogar dort wo Berge
sich erheben und Flüsse fliessen.
Was machen? Wie könnten
wir dies alles umkehren?
Es gibt Arbeit im
Aussen und Arbeit im Innen. Im Aussen können wir uns für solche Flächen, für
ein Naturverständnis einsetzen, welches mit Gewährenlassen zu tun hat. Aber die
wahre Arbeit liegt in unserem Inneren. Dort müssen wir das Thema angehen. Wir
müssen in unserem Inneren die unberührte Natur zulassen. Wie? Wir lassen uns
zu, unsere Gefühle, unser Wesen, unser Weg. Es braucht kein Management von unserem
Inneren, wir lassen es einfach zu. Es kommt, was kommt. Es ist, was ist. Wir
lassen uns selbst gewähren. Jedes Gefühl, jede Regung – ob richtig oder nicht,
spielt dabei keine Rolle. Wir unterdrücken nichts, kein Gefühl, keinen Schmerz,
kein Gedanke.
Also: Es braucht
weniger, nicht mehr. Weniger Management, weniger Beeinflussung, und mehr Gewährenlassen.
Im Aussen, im Innen. Überall. Und so entsteht ein natürlicher Fluss der Dinge,
natürliche Verbindungen zwischen den Wesen dieses Planeten, und daraus schöpfen
wir wieder unendlich Kraft. Unsere Kraft kommt also vom Loslassen und vom
Gewährenlassen. Und das braucht zusätzlich weniger Zeit und weniger Arbeit.
Und vielleicht wenn wir
das Loslassen in unserem Inneren üben entstehen plötzlich wieder Orte im
Aussen, die wir ebenfalls gewähren lassen können. An diesen Orten schöpfen wir dann
Kraft, um in unserem Inneren die Dinge noch mehr gewähren zu lassen. Was zu
noch mehr äusseren Flächen führt. So entsteht ein positiver Zyklus…