Samstag, 1. März 2014

Identität


Wer bin ich? Wer sind wir?  Diese Frage stellt sich für mich nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative. Wieso? Schamanen betrachten immer ihre Umgebung und lesen daraus eigene Themen ab - vor allem dann, wenn sie etwas betroffen macht. Und dieses Resultat hat mich betroffen gemacht. Es ist also eine gute Gelegenheit Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Und hier möchte ich zeigen, wie ich dabei vorgegangen bin:

Zuerst listete ich die Elemente des Abstimmungsresultates auf, die mich betroffen machen oder die mir in dieser Geschichte aufgefallen sind:

·        Als erstes fühle ich mich dieser Thematik sehr nahe, denn obwohl ich einen Schweizer Pass besitze, habe ich erst gut die Hälfte meines Lebens in diesem Land verbracht. Bis vor zwei Jahren hatte ich auch noch einen anderen Pass. Ich weiss also wie es ist, sich mit verschiedenen Ländern verbunden zu fühlen, in verschiedenen Ländern zu arbeiten und zu wohnen. Auch meine gegenwärtige Arbeit ist sehr international geprägt und ich arbeite mit Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern zusammen.  

·        Aus dieser Erfahrung heraus hat für mich ein Teil des Jas damit zu tun, dass es vielen Menschen unklar ist, wie sie sich definieren sollen, wer sie also genau sind. Sie definieren sich also unter anderem mit einer Länderzugehörigkeit – ein Thema mit dem ich in meinem Leben auch immer wieder gerungen habe. Und für viele wird diese Identität bedroht, wenn es zu viele „Andere“ hat und entsprechend müssen sie das Fremde bekämpfen.   

·        Das Resultat war sehr knapp. Nur wenige mehr als die Hälfte der Urnengänger stimmten ja. Man könnte genauso gut sagen, dass die Ja-Sagenden und die Nein-Sagenden gleichauf waren.

·        Die erste und für mich unmittelbare Konsequenz aus dem Resultat war, dass die EU die Horizon 2020 Forschungszusammenarbeit mit der Schweiz stoppte – und ich war gerade daran, einen Antrag zu Schreiben, bei dem es darum gegangen wäre, das Gleis als Gesamtes zu optimieren und die widersprüchlichen Ziele betreffend Lärm, Erschütterungen und Unterhalt unter einen Hut zu bringen.  

Kleine Zwischenbemerkung: Dies waren meine Beobachtungen. Alle Menschen sind jedoch von anderen Elementen einer Situation betroffen. Was mich betroffen macht, ist also für andere nicht unbedingt ein Thema und umgekehrt. Die Vorgehensweise ist aber für alle gleich.


Identität: Sind wir unser Fingerabdruck?

Zurück zum Vorgehen: Was ich im Aussen beobachte, hat also auch mit meinem Inneren zu tun. Hier eine Idee, wie ich das Abstimmungsresultat auf mein eigenes Leben ummünzen kann: Etwa die Hälfte von mir hat ein Identifikationsproblem, beziehungsweise versucht sich mit Äusserem zu identifizieren. Diese Hälfte weiss nicht genau wer ich bin. Dieses Unwissen darüber beziehungsweise der Versuch mich mit Äusserem zu identifizieren, führt dazu, dass meine Beschäftigung mit dem Gesamtsystem, dem Übergeordneten also, behindert wird. Oder anders formuliert: Identifiziere ich mich auf einer der Stufe eines Teilsystems (und die Identifikation als Schweizer ist ein Teilsystem), dann verhindert dies die Betrachtung des Ganzen.

Das heisst, will ich das Gesamte anschauen und verstehen, muss ich die Identifikation mit einem Teilsystem aufgeben. Es muss vielleicht nicht eine gänzliche Aufgabe davon sein, doch darf es nicht mehr als die Hälfte sein. Die Dinge, die ich bin, sind also höchstens Rollen, praktische Dinge, damit ich bestimmte Schritte des Weges gehen kann. Es sind Rollen und stellen nicht dar, was ich wirklich bin.

Um das Ganze besser zu sehen, muss ich also herausfinden, was ich nicht bin, beziehungsweise muss ich diese als Rollen erkennen. Hier einige Beispiele, ohne logische Struktur aufgelistet: Ich bin kein Mensch. Ich bin kein Mann. Ich bin kein Lebewesen. Ich bin kein Schweizer. Ich bin kein Lebenspartner. Ich bin kein Eisenbahnlärmingenieur. Ich bin kein Schamane. Ich bin kein Aargauer. Ich bin kein Wanderer. Ich bin kein Denker. Ich bin kein Leser. Ich bin kein Konsument. Ich bin kein Vater. Ich bin kein Europäer. Ich bin keine Anhäufung von Atomen und Molekülen. Ich bin keine Materie. Ich bin keine Seele…

Es ist sehr befreiend, diese Dinge alle nicht zu sein. Aber was bin ich dann? Nichts? Oder alles zusammen?  Was ist das Ganze, welches dann dabei herauskommt.

Ich weiss es nicht. Aber vermutlich komme ich der Sache immer näher, je mehr ich mich nicht mehr mit Teilsystemen identifiziere. Oder anders ausgedrückt, je weniger ich mich mit konkreten äusseren Dingen identifiziere, desto mehr kann ich das Ganze verstehen.

Ganz aufgeben darf ich die Teilsysteme indes doch nicht. Will ich praktisch durchs Leben, muss ich beispielsweise eine Nationalität haben, damit ich einen Pass erhalte und reisen kann. Die oben aufgezählten Dinge bin ich nicht wirklich, aber ich nehme diese Rollen ein, damit ich praktisch Leben kann und interessante Erlebnisse haben kann. Es braucht also beides.

Aber wie viel von was? Wie stark bin ich eine Rolle, wie stark keine und widme mich dem Gesamtsystem?

Hierzu bat ich um drei weitere Zeichen, welche dieses Thema weiter beleuchten würden. Ich stand gerade am Bahnhof Brugg und als Antwort sah ich 1) Die Schienenbefestigung, und die Acht oder das Zeichen für Unendlichkeit auf den Schrauben (siehe Bild auf der nächsten Seite). 2) Ein Plakat mit dem Lehrlinge gesucht werden und auf dem eine Frau mit einem Schraubenschlüssel abgebildet ist und 3) schliesslich bemerkte ich kurz darauf das Ruhewagensignet im Zug.   

Zur Befestigung: Mein Weg (symbolisch die Schiene) ist mit zwei Bolzen mit einer Acht oder einem unendlich Zeichen befestigt. Vielleicht ist auch eine Schraube die Acht und die Andere das Unendliche (bzw. das Ganze). Es ist dies eine Bestätigung, dass es beides braucht. Zum Plakat: Es liegt in meiner Hand, diese Schrauben richtig anzuziehen, wahrscheinlich genau so, dass sie in etwa gleich stark sind. Zum Ruheabteil: Die geeignete Stärke finde ich wohl in der Ruhe und nicht wenn ich abgelenkt bin. Bin ich abgelenkt, so besteht das Risiko, dass ich zu stark in die Rollen verfalle und das Gesamte nicht mehr sehe.

Und als ich soweit geschrieben habe, wollte ich ein Backup von diesem Text machen. Dabei verschwand er vollständig… Er war weder auf dem Stick noch auf dem Computer. Ich hatte nur noch eine ältere Version und musste meine Korrekturen von Neuem eingeben. Die Erkenntnis: Wenn ich zu stark auf die Seite der Gesamtheit gehe, dort wo alles und nichts ist, dann kann ich wirklich keine realen Dinge mehr machen.

Fazit: Es braucht die Identifikation mit der materiellen Welt im Sinne von Rollen zu etwa 50 %, während die anderen 50 % mit der Beschäftigung mit dem Gesamtsystem gefüllt werden. Dieses Gleichgewicht kann ich selber einstellen, aber es ist ein heikles – kippe ich nur wenig auf die Seite des Materiellen, ist die Gesamtbetrachtung beeinträchtigt, kippe ich zu stark auf die Gesamtheit, so funktioniert das praktische Leben nicht mehr.   

 




Die drei Zeichen