Viele von uns spüren
eine Sehnsucht nach Heimat, nach einem Zuhause, einem Ort und meistens auch
einer Zeit, an dem und in der wir uns wohl, sicher, aufgehoben und geborgen
fühlen. Wo sind solche Orte? Wie findet man sie? Ist das Zuhause oder die
Heimat im Aussen zu suchen? Oder ist „zu Hause sein“ vielleicht auch etwas ganz
anderes?
Hier meine persönliche Suche
nach Heimat, mit den Fragen, die ich mir dabei stellte und was dabei
herausgekommen ist. Ich möchte dabei das „Persönlich“ betonen. Andere Menschen
finden vielleicht ihre Heimat durchaus an Orten, wo ich sie nicht finde. Die
Frage danach ist aber für alle gleich.
Ich fragte mich als
Erstes: Was ist genau mit „Heimat“ gemeint? In einem Wörterbuch fand ich folgende
Definitionen: 1) Das Land oder die
Gegend, wo man geboren und aufgewachsen ist oder wo man sich zu Hause fühlt, weil
man schon lange dort wohnt ("nach einer langen Zeit in der Fremde in die
Heimat zurückkehren") und 2) das ursprüngliche Herkunftsland von etwas ("Die
Heimat der Kartoffel ist Südamerika."). Nimmt man den ersten Teil der
Definition, müsste meine Heimat dort sein, wo ich der grösste Teil meiner
Lebenszeit verbracht habe. Ich rechnete dies aus und kam auf folgende Grafik,
welche aufgeteilt nach Länder, meine Heimat darstellen müsste:
Lebenszeit auf Länder aufgeteilt. Jedes Jahr wurde gleich gewichtet.
Ist nun die Schweiz
eine halbe Heimat, die USA eine Drittelheimat? Müsste Heimat nicht eine mehr
oder weniger ganze Sache sein? Dieser Ansatz fühlt sich nicht stimmig an. Ich
habe deshalb den zweiten Teil der Definition ebenfalls berücksichtigt – was zu
einer stärkeren Gewichtung der Anfangsjahre führt. Zusätzlich habe ich in der zweiten
„Heimatrechnung“ Zeiten, die weniger lang zurück liegen, ebenfalls stärker
berücksichtigt, da ich mich besser an sie erinnere. Um der Definition gerecht
zu werden, habe ich also den Anfang des Lebens und die kürzlich vergangenen
Jahre am stärksten gewichtet. Dies führt bei mir zur nachfolgenden „Heimat“:
Lebenszeit auf Länder verteilt mit einer stärkeren Gewichtung der ersten
und letzten Jahre.
Stellt dies nun meine
Heimat dar? Das heisst, ich müsste mich in der Schweiz und in den USA am
wohlsten fühlen, aber je nur zu knapp 40 Prozent - nicht gerade eine hohe Zahl. Auch dieser
Ansatz führt bei mir nicht zu einer Heimat. Für gewisse Menschen mag ein Ort
oder ein Land einen viel höheren Wert aufweisen für andere einen kleineren – aber
als allgemeine Heimatdefinition geht dies nicht. Heimat liegt nicht in einem konkreten Land oder an einem konkreten Ort…
Die Definition des
Wörterbuchs funktioniert nicht. Ich muss andere Ansätze testen:
Vielleicht ist es die
Sprache? Fühle ich mich dort zuhause, wo bestimmte Sprachen gesprochen werden?
Ich habe diese Frage für mich analysiert und gemerkt: Ich fühle mich am meisten
in den Sprachen Englisch (nur Amerikanisch), Italienisch und Spanisch zuhause.
Dies hat interessenterweise nichts damit zu tun, wie gut ich diese Sprachen
kann, und widerspricht zudem der oben erwähnten Länderaufteilung, wonach eher
Schweizerdeutsch und English meine „Heimat“ sein müssten. Zumindest für mich: Heimat liegt nicht in einer konkreten
Sprache…
Wenn es nicht Länder
oder Orte sind und auch nicht die Sprache, dann ist es vielleicht die
Landschaft? Ich beobachte an mir zwar Tendenzen - Ich fühle mich etwa in
hügeligen mehr zuhause als in alpinen Gebieten, mehr in Weiten als in Tälern,
mehr im Jura als in den Alpen, mehr in der Extremadura als in Norwegen - aber
grundsätzlich kann ich an allen Landschaften Gefallen finden, es gibt keinen eindeutigen
Favoriten. Mir scheint: Heimat liegt
nicht in der Landschaft…
Vielleicht sind es die
Menschen? Ist meine Heimat dort, wo ich mich verstanden fühle, ich so sein
kann, wie ich bin, wo mich andere Menschen mögen? Überall wo ich bin (d.h. an
allen Orten aber auch in allen Arten von Gruppen wie z.B. der Familie) kenne
oder treffe ich Menschen, zu denen ich mich verbunden fühle. Aber überall hat
es auch solche, zu denen ich keine Verbundenheit spüre. Es gibt also keine
Gruppe, wo ich mich mit allen Mitgliedern verbunden fühle. Ich könnte nun
sagen, Heimat sind immer nur diejenigen Menschen, zu denen ich gerade eine
Verbundenheit spüre. Vielleicht. Aber manchmal ändert dies, das heisst ich
spüre eine Verbundenheit zu einem Menschen und dann nicht mehr oder umgekehrt. Reicht
das für eine „Heimat“? Mir scheint nicht, Heimat müsste stabiler sein und ich
postuliere: Andere Menschen sind nicht
Heimat…
Ist Heimat eine Zeit?
Ist 2015 meine Heimat, beispielsweise im Gegensatz zur Römerzeit oder zu den
Steinzeitmenschen? Ich beobachte zwar, dass es Zeiten gibt, zu denen ich mich
hingezogen fühle (z.B. zu den Kelten oder eben zu den Römern) und zu anderen,
zu denen ich weniger Verbindung spüre (z.B. dem Mittelalter). Aber zu welchen
Zeiten ich mich auch immer verbunden fühle – ich kann nicht dorthin. Ich bin
immer im Jetzt und nicht in anderen Zeiten. Wenn ich aber keine Wahl habe, dann
ist es müssig in dieser Beziehung über „Heimat“ zu sprechen. Folglich: Eine bestimmte Zeit ist nicht Heimat…
Ist Heimat eine
Philosophie oder Weltanschauung? Bin ich dort zuhause, wo andere Menschen
gleich denken wie ich, etwa betreffend Politik, Religion, Lebensführung und
dergleichen? Ich mag aber die Auseinandersetzung mit verschiedenen Ideen und
Weltanschauungen. Mir würde es langweilig, und ich würde meine eigenen Ideen
nicht weiterentwickeln können, wenn ich nur von Menschen umgeben wäre, welche
die Dinge gleich sehen wie ich. Nein,
Heimat liegt nicht in einer bestimmten Philosophie…
Was dann? Wenn es
nichts im Aussen ist, vielleicht liegt die Heimat bei mir selbst? Ist etwa mein
Körper meine Heimat? Wie kann ich das testen? Ich konzentriere mich auf meinen
Körper, nehme ihn wahr und frage: Fühle ich mich da zuhause? Verschwindet die
Sehnsucht nach Heimat? Sie tut es nicht. Zumindest in meinem Fall nicht: Mein Körper ist nicht meine Heimat…
Ist die Heimat meine
Seele? Hier muss ich nicht lange überlegen – im „Schamanischen Buch der Seele“
habe ich dargestellt, wie veränderlich eine Seele ist, wie wir ständig Bewusstseinselemente
aufnehmen und abgeben, wie das, was ich als Seele betrachte, mein Bewusstsein
also, eine veränderliche Sache ist. Und das andere – und hier das gleiche
Argument wie beim Körper: Meine Seele besteht jetzt auch schon und trotzdem empfinde
ich Sehnsucht nach Heimat. Heimat müsste also etwas sein, was ich noch nicht
oder nicht vollständig besitze. Heimat
liegt nicht in der Seele.
Ist meine Heimat mein
Weg? Ein eigener Weg ist immer neu, man weiss nie wo er hingeht. Unser Weg löst
Angst aus, weil wir auf Neues zugehen, Trauer, weil wir altes verlassen. Ein
Gefühl von Geborgenheit entsteht da nicht. Zudem suche ich ja genau auf meinem
Weg (unter anderem) nach Heimat. Nein, der Weg als solcher fühlt sich nicht wie
ein Zuhause an. Vielleicht führt der Weg zur Heimat, aber er ist es nicht
selbst. Mein Weg ist nicht meine Heimat…
Ist Heimat die Liebe? Dabei
betrachte ich Liebe als übergeordneter Raum, welcher dank meines Weges des
Herzens vergrössert wird. Die Ausdehnung der Liebe ist also das Ziel des
eigenen Weges. Bin ich dann in der Heimat, wenn ich zur Liebe geworden bin? Nur,
dieser Zustand erreiche ich nicht vollständig, solange ich lebe. Also kein
vollständiges Zuhause solange ich lebe? Dennoch: Vielleicht ist Heimat die Liebe…
Oder – gibt es gar
keine Heimat? Mit Denken komme ich nicht weiter. Zeit, also, für eine
schamanische Reise! Ich fragte meine spirituelle Helferin: „Was und wo ist
meine Heimat?“ Sie lacht mich an, schaut in jede Richtung, blickt zum Himmel
und zu den Bäumen, sie schaut zu den Städten und zu anderen Menschen. Sie
streckt die Arme weit aus und findet: „Alles ist Heimat, deine Heimat ist
alles. Es gibt kein Ort, kein Land, kein Mensch, kein Wesen, kein Ding, welches
nicht Heimat wäre. Und weil Liebe alles ist, ist Heimat auch Liebe.“
Ich frage nach: „Wenn
Heimat Liebe ist, beziehungsweise alles, dann erreiche ich das nie, vielleicht
dann, wenn ich gestorben bin, aber nicht jetzt.“
Sie antwortet: „Aber
doch, wenn alles Liebe ist, wenn Heimat alles ist, dann bist zu jetzt schon zuhause. Du bist – egal wo
du bist, egal mit wem du bist – du bist in deiner Heimat.“
„Aber wieso spüre ich
dann noch eine Sehnsucht nach Heimat? Das würde doch eher heissen, ich bin noch
nicht dort.“
„Deine Sehnsucht zeigt
dir nur, dass du es noch nicht gemerkt hast. Sobald dir das voll und ganz
bewusst bist, dass alles, was du jetzt wahrnimmst deine Heimat ist, dann
vergeht die Sehnsucht.“
„Und wie kann ich das
merken?“
„Öffne dein Herz für
alles. Öffne es so weit, dass es wirklich alles umfasst. Sobald du das
schaffst, bist du überall zuhause.“
Meine langen
Überlegungen und dann eine so einfache Antwort! Ich kann nichts beifügen… ich
kann aber zusammenfassen: Heimat ist nichts Konkretes im Aussen, Heimat ist
nichts Konkretes im Inneren, Heimat ist alles, Heimat ist die Liebe, Heimat
finde ich, indem ich alles ins Herz
schliesse.