Ferien. Vor zwei Wochen flog ich nach Rom und mietete dort
ein Auto. Nicht zum ersten Mal: Meistens gestalte ich auf diese Art und Weise meine
Reisen: Ich miete ein Auto, fahre an schöne Orte, übernachte meist sogar darin,
wandere tagsüber, suche alte archäologische Stätten oder Kraftorte, sinniere
über mein Leben oder über die nächsten Schritte nach. Oft erlebe ich dabei
Geschichten, die mit mir und meinen Themen zu tun haben und Erkenntnisse dazu
liefern. Und oft ist auch das Auto daran beteiligt. Diesmal war ein es ein
silbergrauer Fiat Panda.
Vorweg: Ich hatte eine Versicherung abgeschlossen, welche
mein Selbstbehalt auf null setzen müsste, sollte ich unterwegs ein Schaden
verursachen. Mit diesem Wissen, wird die nachfolgende Geschichte nicht sehr
plausibel wirken. Aber oft sind genau dies die Geschichten, welche die
interessantesten Erkenntnisse ergeben, dann also, wenn man ehrlich zu sich sein
kann und ein Problem wahrnehmen kann, obwohl es keine logische Basis hat. In
diesem Fall müssten also Schäden am Auto kein Thema sein. Dennoch: Schon im
Parkhaus des Flughafens erkannte ich zwei ziemlich offensichtliche Schäden, die
nicht protokolliert waren. Der Angestellte führte einen davon etwas widerwillig
auf und erklärte mir, der andere Schaden gelte nicht, weil die Rückseite des
Autos schon bei der hinteren Türe beginne und dort sei ja ein Schaden vermerkt.
Ich glaubte ihm. Ich fuhr los, dankbar, dass alles geklappt hatte, voller
Freude, über was ich alles erleben würde. Es ging aber nicht lange, dann merkte
ich, dass auch die Frontscheibe einen bedeutenden Kratzer hatte, später
entdeckte ich einen zweiten. Dann, jedes Mal, wenn ich das Auto anschaute,
schien ein weiterer Schaden hinzuzukommen. Von jedem war ich überzeugt, dass er
nicht von mir stammen konnte und schon dort gewesen sein musste. Mit jedem Blick, mit jedem Tag, immer
entdeckte ich neue Schäden. Einmal sah ich sogar, dass die Unterseite des Autos
beschädigt war.
Dies störte mich. Ich war zwar versichert, aber es störte
mich trotzdem. Denn das waren nicht meine Schäden, sondern ich war mit den
Schäden meiner Vorgänger unterwegs. Gut, es kamen noch einige Schäden hinzu,
die während der Reise entstanden sind, und zwar von Menschen in benachbart
parkierten Autos unvorsichtig die Türen geöffnet hatten. Aber auch diese Schäden waren nicht wirklich
mein Verschulden. Es störte mich, obwohl dies alles kein Problem sein müsste, denn
ich hatte ja die Versicherung. Aber doch: Ich konnte mich mit der Zeit kaum
mehr dem Auto nähern oder in ihm fahren (der Kratzer auf der Frontscheibe…)
ohne mir aller Schäden bewusst zu sein. Ich sah sie immer alle. Es ging fast
nicht anders – war ich um das Auto herum, sah ich die Schäden.
Gleichzeitig war dies eine Reise, in der ich mir viel Zeit für
die Natur nahm. Insgesamt fuhr ich nicht sehr weit, sondern wollte die Zeit
nutzen, um die Blumen, Bäume und die Landschaften bewusst wahrzunehmen. In
diesen Zeiten ging mein Herz auf und ich vergass das Auto mitsamt allen Schäden
vollständig. Ich gelangte dabei in einen tiefen Frieden. Es war wunderbar. Bis
zu dem Punkt, wo ich jeweils das Auto wieder erblickte.
Da musste ein Thema sein. Es ging wohl darum, dies mit einem
schamanischen Bewusstsein anzugehen. Ich musste die Symbolik erkennen. In
diesem Sinne waren die Schäden am Auto wahrscheinlich symbolisch für die
Wunden, die ich im Verlauf des Lebens bekommen habe. Solche Wunden sind ja auch
nicht mein Verschulden und oft stammen sie von unseren Vorfahren, die hier durch
die Vorgängermieter symbolisiert wurden. Diese Wunden sind an und für sich kein
Problem, wenn ich den Weg des Herzens gehe, denn die Versicherung könnte das
Herz symbolisieren. Gehe ich dem Herzen nach, dann heilen die Wunden, werden
weniger wichtig – so wie die Versicherung die Schäden am Ende zahlen wird. Und
auf dieser Reise hatte ich ja in den naturverbundenen Zeiten das Herz besonders
gut gespürt – so stark, dass ich dann jeweils nicht mehr an das Auto dachte.
War also die ganze Geschichte einfach eine Bestätigung für
den Weg des Herzens, für das Vertrauen unterwegs, dass die Heilung zum jeweils richtigen
Zeitpunkt kommt? Geht man also den Weg des Herzens muss man sich nicht ständig
jeder Wunde bewusst sein. Wahrscheinlich war das eine Erinnerung an mich, meine
Heilung und meine Themen voller Vertrauen anzugehen. Oder steckte noch mehr
dahinter?
Ich würde es wohl bei der Autorückgabe erfahren. Zwei Wochen
später war ich wieder im selben Parkhaus. Ein anderer Angestellter ging um das
Auto herum, drückte auf seinem Tablet herum, und sagte mir dann: „Hier
unterschreiben.“ Ich fragte: „Ist alles in Ordnung?“ Er: „Ja.“ Ich unterschrieb.
War das nun so einfach? Hatte ich wirklich das Thema begriffen und war deshalb alles
ok? Kaum in der Schweiz, kam jedoch eine Email mit der Abrechnung. Diese sei
provisorisch und es stand ausdrücklich in fetten Buchstaben, es hätte neue
Schäden. Nochmals das Dilemma von neuem: Einerseits Schäden, andererseits
Versicherung. Ich hatte wohl etwas immer noch nicht begriffen. Wieder beschäftigte
ich mich mit der Symbolik. Ich ging alles im Detail durch: War vielleicht das
Parkhaus der Mutterleib, die Fahrt hinaus die Geburt, die Fahrt zurück der Tod,
die ganze Reise also symbolisch für ein ganzes das Leben? Ich suchte nach
weiteren Begebenheiten der Reise, die ich interpretieren könnte. Und bald kam
eine weitere Email mit der definitiven Abrechnung. Die Schäden waren nun nicht
verrechnet, nicht einmal mehr aufgeführt, nur kostete alles € 70 mehr als bei
der Bestellung. Ich war zwar weitergekommen, aber die Geschichte war wohl immer
noch nicht abgeschlossen.
Ein weiteres Mal ging ich daran. Wahrscheinlich waren genau
die € 70 ein Hinweis, denn unterwegs hatte ich viel darüber nachgedacht, ob es
nicht eine umfassendere Dimension gibt, als die Liebe. Hierzu muss ich kurz ausholen:
In meinem „Schamanischen Buch der Seele“ hatte ich sechs Dimensionen erkannt:
Unser Körper mit drei (vorwärts/rückwärts, links/rechts, oben/unten), die Aura
mit vier (die Zeit kommt hinzu), die Seele mit fünf (zusätzlich das
Bewusstsein) und schliesslich die Liebe mit sechs (die Entscheidung oder die
Verbundenheit kommt hinzu). Wollten mir die € 70 nun auf Erkenntnisse über eine
siebte Dimension hinweisen, also über
einen Raum, der umfassender ist als die Liebe? Schon seit einigen Monaten
überlege ich mir, ob das zusätzliche Element oder die zusätzliche Richtung,
welche hinzukommt, nicht die „Kausalität“ sein könnte, oder anders gesagt, ein
Verursachungsprinzip, also die Möglichkeit, dass etwas in etwas anderem etwas
bewirkt. Mein Denken wehrt sich zwar oft dagegen, sagt, die Liebe müsste doch
höher, umfassender sein als die Kausalität, aber etwas ganz anderes in mir
findet das Gegenteil. Was ist nun? Wollte mir Geschichte mit den Schäden etwas
zu dieser Frage mitteilen?
Die Schäden waren von anderen verursacht. Hier war also tatsächlich
Kausalität im Spiel. Mit dem Auto, welches so gewissermassen die Kausalität
symbolisierte, fuhr ich von Ort zu Ort, wo ich wiederum im Kontakt mit der
Natur Liebe erlebte. Kann man daraus interpretieren, dass die Kausalität der
Liebe übergeordnet ist? Das würde aber heissen, dass es auch Kausalität ohne
Verbundenheit beziehungsweise ohne Liebe gibt. Dinge könnten auch dann einander
beeinflussen, wenn sie nicht miteinander verbunden sind. Es müsste neben der
Verbundenheit weitere Wege der Kausalität geben. Viele Gedanken, die es noch zu
vertiefen gilt…
Mein Denken weigert sich noch, dass die Kausalität
umfassender als die Liebe sein soll. Aber etwas tief in mir sagt: Doch das kann sein. Aber vielleicht
lasse ich mich zu stark auf die Äste hinaus. Ich werde es sehen. Aber zumindest
ist es interessant, darüber zu philosophieren. Und nur schon das hat die ganze
Geschichte mit den Schäden sehr wertvoll gemacht. Eigentlich ist es dann egal,
was sich am Ende herausstellt, falls überhaupt etwas. So gesehen bin ich
dankbar für die Schäden und für die Geschichte. Im Rückblick wird es mir warm
ums Herz, wenn ich an den grauen Fiat Panda denke.