Samstag, 9. September 2017

Doppelmoral

Dinge, die uns auffallen, sind stets solche, die Erkenntnisse mit sich bringen. Unsere Beobachtungen im ganz gewöhnlichen Alltag sind also unsere eigentlichen Lehrer, oft viel besser als Kurse und Bücher. Diese Beobachtungen sind jeweils persönliche Geschichten und Erlebnisse, weshalb die konkreten Ereignisse von Mensch zu Mensch unterschiedlich interpretiert werden müssen. Das grundsätzliche Konzept ist aber für alle gleich. Weil diese Beobachtungen so wichtig sind, lohnt es sich immer genau hinzuschauen. Als Motivation, hier ein persönliches Beispiel, welches zeigen soll, wie vorgegangen werden kann.  
Ich bin sehr sensibilisiert auf Geräusche, unter anderem weil ich mich beruflich mit Lärm befasse – oder vielleicht ist es auch umgekehrt… Jedenfalls höre ich von meiner Wohnung aus: 1) Von einem Einfamilienhausquartier neben meinem Block: Rasenmäher, Laubgebläse, Hämmern, Sägen, Musiküben, Hundegebell und ähnliches. 2) Von mehreren Kirchen, eine davon relativ nah: Regelmässiges Läuten und Schlagen. 3) Von einem Militärübungsgelände: Knallen und Schiessen, dies auch am Abend, wenn der Schützenstand von Vereinen verwendet wird. 5) Vom gleichen Übungsgeländer bei Abwesenheit des Militärs: Veranstaltungen aller Art. 4) Von der Luft: Kleine Privatflugzeuge. 5) Von einer nahegelegenen Bahn-Hauptstrecke: Tag und Nacht sowohl Personen- wie Güterzüge. 6) Von der Quartierstrasse: Busse, Autos und Motorräder. Ich habe diese Liste nach meiner subjektiven Störwirkung geordnet, wobei ich die Lautstärke, die Tonhaltigkeit und die Frequenzen berücksichtigt habe. Dabei stört das Einfamilienhausquartier am meisten, die Quartierstrasse am wenigsten.
Was mir nun an dieser Liste auffällt - dort also wo ich nach Erkenntnissen suche - ist dass nur der Strassen-, Schiess- und der Bahnlärm wirklich gesetzlich geregelt sind. Davon wird für die Quartierstrasse (berechtigterweise) nichts gemacht – diese ist auch an der letzten Stelle auf meiner Liste. Der Schiesslärm ist zwar geregelt, wegen der Art und Weise wie er entsteht, nützt dies für meinen konkreten Wohnort jedoch nichts. Es bleibt der Bahnlärm: Dort werden von behördlicher Seite (obwohl schon sehr viel gemacht wurde) stets weitere Massnahmen gefordert. Die Hauptlärmquellen: Das Einfamilienhausquartier, die Kirchen, die Veranstaltungen und die Privatflugzeuge werden hingegen alle toleriert… Die Beobachtung, welche mir auffällt, ist, kurz formuliert: Nicht das was stört, wird reglementiert, sondern das, was nicht stört, beziehungsweise genau dort, wo bereits viel gemacht wurde.
Diese Inkonsequenz oder Doppelmoral macht mich betroffen. Hier sind also Erkenntnisse verborgen. Hier hat es eine Lektion. Nochmals: Jemand anders würde diese Situation unter Umständen anders bewerten, aber dies spielt keine Rolle, denn es ist ja eine Lektion für mich. Andere haben ihre eigenen Lektionen. Aber was ist nun die Lektion für mich?
Ich beobachte weiter: Wenn ich nicht nur den Lärm anschaue, sondern zusätzlich berücksichtige wie viele Personen ihn verursachen und wie viele davon betroffen sind, also gewissermassen einen Lärmfussabdruck abschätze, dann ist die Reihenfolge der Störwirkung pro Verursacher an meinem Wohnort die folgende: 1) Privatflugzeuge 2) Kirchen 3) Einfamilienhäuser 4) Militär und Schiessen 5) Veranstaltungen 6) Strasse 7) Bahn. So gesehen ist die Inkonsequenz oder die Doppelmoral sogar noch deutlicher: Wenn einzelne wenige Personen viele andere stark stören, macht dies nichts. Wenn hingegen viele Personen einige wenig stören, dann ist dies ein Problem und muss reglementiert werden. Die Einzelnen haben also mehr Rechte als die Vielen.
Nehmen wir noch eine zweite Beobachtung hinzu: Seelische Energie fliesst zu dem, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet ist. Dies heisst also, es hat einzelne wenige Menschen, die ein besonderes Bedürfnis nach der seelischen Energie der anderen haben, dies aber nicht unterbunden wird. Hingegen wird das Analoge bei der Masse zurückgedämmt, welche kaum Energie von anderen anzapfen darf. Die einzelnen Personen mit einem grossen Lärmfussabdruck sind oft solche, welche gleichzeitig viel Macht besitzen. Es sind als Tendenz oft die Mächtigen die eher in Einfamilienhäusern wohnen, in Privatflugzeugen fliegen oder mit traditionell mächtigen Institutionen wie der Kirche verbandelt sind. Es geht also nicht um Lärmschutz, sondern darum, dass einzelne Wenige immer noch lärmig sein können und auf diese Art immer noch seelische Energie anderer anziehen, während dies aber bei der Masse unterbunden wird. Mit ihrer Macht können sie ihre Energiequelle aufrechterhalten.
Diese Beobachtung mag nun gut und recht sein. Ich habe zwar erkannt, dass es bei Situationen mit Widersprüchen oder Doppelmoral nicht um die eigentliche Begründung geht, sondern um etwas anderes. Es geht nicht um Lärmschutz, sondern um seelische Energieflüsse an Bedürftige, welche diese Energiequelle mit Macht aufrechterhalten. Es hat aber sicher mehr in dieser Situation, Zeit also für eine ergänzende Perspektive, Zeit für eine schamanische Reise:  Auf dieser Reise sitze ich auf einem Hügel und beobachte die Situation, welche ich soeben beschrieben habe. Meine Helferin zeigt mir die Parallelen dieses Lärm- oder Energieflusses zu einer Landschaft, wo es auch Höhen und Tiefen, Berge und Täler gibt. In diesem Sinne ist eine Landschaft auch nicht neutral, weil Dinge etwa an gewissen Stellen von oben nach unten fliessen können und an anderen nicht. Dennoch bewerten wir sie als neutral: Für die meisten Menschen sind Berge nicht schlechter als die dazwischen liegenden Täler oder umgekehrt. Meine Helferin fordert mich nun auf, die Lärm- und Energielandschaft genau gleich neutral anzusehen. Sie ist einfach da. Es gibt sie. Ich solle sie nicht bewerten, sondern einfach wahrnehmen. Es ist einfach so, dass gewisse Menschen viel mehr Energie anziehen als andere. Dies läge an ihren Wunden. Sie sagt mir: „Wenn du die Situation bewertest, dann verstärkst du den Energiefluss nur. Du förderst dann genau das, was dich stört. Du gibst diesen Menschen genau das, weshalb sie Lärm machen. Es ist als würden sie ein Lösegeld verlangen, und du bezahlst es, und sie lassen dich trotzdem nicht frei. Beobachte einfach und bewerte nicht.“ Ich frage nun, wie ich dies tun kann. Sie antwortet: „Gelange in eine innere Ruhe. Deine Lektion oder deine Herausforderungen ist es, auch in einer solchen wirbelnden und aufgewühlten Umgebung ruhig zu bleiben. Du musst einfach wahrnehmen. Mehr nicht. Übe dies. Immer wieder und wieder.“
Meine Umgebung ist in diesem Sinne gerade die beste, die ich haben könnte. Die Lektion oder Übungsgelegenheit ist es, mitten in einem Energiewirbel ruhig und bei mir zu bleiben.
So gesehen eigentlich wunderbar: Ich kann genau bei mir zuhause, genau dort, wo ich gerade bin, eine bedeutende Lektion erfahren! Und wie merke ich, ob ich die Lektion verstanden habe? Dies ist dann der Fall, wenn die Situation mich nicht mehr betroffen macht.
 



Lärm einfach wahrnehmen und nicht bewerten...
(Quelle: moyuk.com)