Als Schamanen sind wir
immer - wirklich zu jedem Augenblick - auf unserem Pfad. Das bedingt, dass wir vor
Ablenkungen Acht geben müssen, von Dingen also, die uns von unserem Pfad
wegziehen, die unsere Aufmerksamkeit woanders hinlocken wollen. Denn ist unsere Aufmerksamkeit woanders, dann
bemerken wir nicht mehr unsere eigenen Themen, dann schenken wir unsere Energie
nicht mehr unserem Weg, sondern einem anderen. Wir leben dann ein fremdes
Leben. Aber wie merken wir, was eine Ablenkung ist und was nicht?
Grundsätzlich können
wir zwei Arten von Fehlbeurteilungen machen: 1) Wir beurteilen etwas als eine
Ablenkung, obwohl es keine ist oder umgekehrt 2) eine Ablenkung kommt getarnt,
und wir merken nicht, dass es eine ist.
Zum ersten: Es bestehen
herkömmliche Meinungen über Ablenkungen: Medien wie Fernsehen, Unterhaltung, Symptombekämpfung
in der Medizin, zu viel Arbeit oder zu viele Termine und dergleichen werden in
der Regel als Ablenkungen betrachtet. Dies mag oft tatsächlich der Fall sein,
aber nur weil eine allgemeine Meinung dazu herrscht, heisst wiederum nicht,
dass dies im konkreten Fall auch wirklich so ist. Beurteilen wir unseren Weg
nach allgemeinen Meinungen, dann besteht das grosse Risiko, dass uns wichtige
Elemente verloren gehen.
Zum zweiten: Andererseits
können natürlich auch Ablenkungen getarnt erscheinen, Dinge also, die z.B. von
Wegen sprechen, Wörter verwenden, die mit Entwicklung zu tun haben usw. aber
alles in allem trotzdem nichts mit unserem Weg zu tun haben und deshalb in Tat
und Wahrheit eine Ablenkung darstellen, obwohl es nicht so aussieht.
In anderen Worten,
vielleicht ist für uns eine konkrete die Fernsehsendung und ein bestimmtes Fest
gar keine Ablenkungen, hingegen ein gewisses Esoterikseminar oder Buch über
indische Meister schon. Oder vielleicht ist es umgekehrt. Was also eine Ablenkung
ist und was nicht, hängt vom konkreten Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt
ab.
Dies die Theorie. In
der Praxis sieht es viel komplizierter aus, denn wahre Ablenkungen können sehr
heimtückisch sein und uns derart in ihren Bann ziehen, dass es kaum möglich
ist, sie zu Beginn überhaupt zu erkennen und sind wir einmal in deren Fesseln,
können wir uns kaum mehr befreien. Dies lässt sich durchaus mit einem Virus
vergleichen, der uns zuerst unbemerkt befällt und uns dann krank macht wenn er
ein kritisches Mass überschreitet. Ablenkungen (egal was es ist…) befallen uns
auf eine ähnliche Art und rauben unsere Energie. Oft beginnt es – wie beim Virus
– ganz harmlos: Wir haben vielleicht ein Buch gelesen oder eine Serie geschaut
ohne auf unser Herzen zu achten, und plötzlich sind wir süchtig. Oder wir hören
auf einen Demagogen, zuerst ganz harmlos, und plötzlich lassen wir uns von ihm
leiten.
Leicht kommen wir dann
in einen wahren Teufelskreis: Wir sind immer mehr im Bann der Ablenkung, verlieren
unsere Energie indem wir unsere Aufmerksamkeit der Ablenkung widmen und
erhalten auch immer weniger neue (weil unsere Energie letztlich von unserem Weg
stammt). Immer mehr und mehr verlieren wir unsere Energie und können uns nach
und nach gar nicht mehr wehren, sogar dann nicht, wenn wir merken, dass wir von
dieser Ablenkung gefangen sind. Eine Sucht ist ein typisches Beispiel, aber
auch andere Dinge, die unsere Aufmerksamkeit in Bann ziehen, ohne dass es auf
unserem Weg ist.
Einige Ablenkungen, die
mich in letzter Zeit gefordert haben sind z.B. Lärmquellen wie Kirchenglocken
oder Privatflugzeuge (ich höre immer hin und meine Aufmerksamkeit ist nicht
mehr bei meinem Weg) oder Hunde (immer wenn einer in der Nähe ist, dann richte
ich meine Aufmerksamkeit auf ihn in der Angst, er könnte mich beissen). Für
Aussenstehende mögen diese Beispiele unplausibel sein, aber das ist ja genau
das Merkmal: Die Ablenkungen sind spezifisch für jeden Menschen.
Wie geht man damit um?
Das wichtigste ist wohl, dass wir zuerst erkennen müssen, dass diese Dinge in
der Tat Ablenkungen sind. Dann müssen wir verstehen, dass der Kampf gegen eine
Ablenkung aussichtslos ist. Die Ablenkung lebt davon, dass wir ihr Aufmerksamkeit
schenken, was in einem Kampf unweigerlich der Fall ist. Der Kampf verstärkt also
die Wirkung der Ablenkung. Das heisst, es braucht eine andere Strategie: Wir
müssen akzeptieren, dass diese Ablenkung existiert und dass wir sie nicht verhindern
können. Wir müssen sie anerkennen und sie an uns vorbeiziehen lassen. Wir beugen
uns so wie der Bambus im Wind, der sich biegt, wenn die Ablenkung ihn trifft
aber wieder aufsteht, sobald sie vorbei ist. Oder wie eine Welle im Meer, die
auf eine andere trifft und nach dieser einfach weitergeht, wie wenn nicht
gewesen wäre.
Wir akzeptieren also
unsere Ablenkung, lassen sie durchziehen. Dies gibt uns wieder den Raum, uns
auf uns selbst zu besinnen und unsere Aufmerksamkeit wieder unserem Weg zu geben.
In meinem Beispiel muss
ich z.B. anerkennen, dass es Kirchenglocken, Privatflugzeuge oder Hunde gibt
und ich muss sie an mir vorbeiziehen lassen und meine Aufmerksamkeit wieder
meinem Weg geben.
Wir lösen uns von der Ablenkung,
die uns im Griff hat, indem wir Akzeptieren, Zulassen und Loslassen.
Auch Gräser lassen die Ablenkung des Windes zu und kehren danach in die
ursprüngliche Form zurück. Fotos: Jakob
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